Gestalter für die Stadt
Vor 12 Jahren kam Fan Yang aus China nach München, um Landschaftsarchitektur zu studieren. Heute arbeitet er im Baureferat, um die Stadt lebenswerter zu machen.
Fan Yang | Baureferat Gartenbau, Schul- und Sportbau
Unser erstes Treffen findet in der Maxvorstadt statt. Es ist Hochsommer. Im Schatten, unter den Kastanien des Pausenhofs der Grundschule in der Türkenstraße, hat es 30 Grad. Fan Yang bespricht mit der Rektorin, wie die Neugestaltung des Pausenhofs vorankommt. Vieles ist hier in die Jahre gekommen, nicht mehr zeitgemäß: Der Bodenbelag muss erneuert werden, die kleinen „Geräteschuppen“ und die Spielgeräte auf dem Gelände entsprechen nicht mehr den aktuellen Anforderungen und Standards. Und vieles muss ganz neu gedacht, umgebaut werden – ohne dass der schöne alte Baumbestand in Mitleidenschaft gezogen wird.
Genau für solche Dinge ist der städtische Landschaftsarchitekt zuständig. Dass diese Umbauten, Sanierungsarbeiten und Neugestaltungen Zeit kosten, sollte klar sein. „Wenn alles glatt läuft, können wir solche Projekte in zwei Jahren bewältigen“, sagt Yang. „Allerdings müssen wir uns in den meisten Fällen mit verschiedenen Referaten und Behörden abstimmen, weshalb sich ein Projekt auch über mehrere Jahre hinziehen kann.“
Fan Yang arbeitet im Baureferat Gartenbau, Schul- und Sportbau Nord-Ost. Dort betreuen er und 23 weitere Kolleg*innen die Freianlagen der städtischen Schulen, Kitas und Sportanlagen. Die Anforderung, die Aufträge für Sanierungen und Neubauten kommen immer vom Referat für Bildung und Sport (RBS). Bei reinen Außenanlagen kann seine Abteilung autark arbeiten, bei größeren Maßnahmen wird mit Kolleg*innen, der Hauptabteilung Hochbau im Baureferat zusammengearbeitet.
Studium in der chinesischen Megacity Chongqing
Apropos: Ursprünglich wollte Yang eigentlich auch ein typisches Architektur-Studium absolvieren. In seiner Heimat China. Aber nach eingehender Recherche zum Thema Baukunst kam er für sich persönlich zu dem Schluss, sich lieber „übergeordneten“ Dimensionen zu widmen: So fing er an, von 2007 bis 2011 Stadtplanung in China zu studieren. Dazu zog er von seinem Geburtsort Xi‘An („nur“ 10 Millionen Einwohner) in die Megacity Chongqing mit über 32 Millionen Einwohnern. „Ich hätte auch zuhause studieren können, aber ich hatte das Bedürfnis, eine neue Kultur, eine andere Gegend kennenzulernen zu wollen“, sagt Fan Yang. Bei seinem Bachelor-Studium lernte er dann auch seine heutige Frau kennen. Schon sehr schnell waren sich die beiden einig, dass sie im Ausland weiter studieren wollen. Erste Wahl und Traumland dafür wären die USA gewesen. Doch die Kosten (Studiengebühren, Leben) waren einfach zu hoch. Die Eltern von Fan Yang stammen schließlich aus der normalen Mittelschicht und hätten nicht so viel Geld aufbringen können.
So einigten sich die beiden chinesischen Staatsbürger*innen auf Deutschland. Nach einem Jahr Sprachschule in Essen wurde das junge Paar leider den Umständen entsprechend örtlich voneinander getrennt: Die Freundin studierte an der Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen – Yang bekam einen Platz an der TU München. Das bedeutete also Fernbeziehung und drei Jahre Studium der Landschaftsarchitektur (Master of Arts) am Campus Freising. „Eine nette, kleine, ruhige Stadt – nicht so busy“, findet Yang. Und lässt mit einem Augenzwinkern offen, ob er das im Vergleich zu München oder „der größten Stadt der Welt“ (WELT-Doku auf YouTube) Chongqing meint. Auch wenn die positiven Erinnerungen an diese Zeit überwiegen – Fan Yang empfand diese Zeit auch als schwer: Die Projekte waren anspruchsvoll, er musste viel lernen und privat hatte er nur wenig Kontakt zu den Kommilitonen. Alles vor den Hintergrund seiner anfänglichen Sprachschwierigkeiten betrachtet.
Während des Studiums suchte Yang proaktiv nach einem halbjährigen Praktikum, das ihn als Landschaftsarchitekt weiterbringen könnte. So fand er in Zürich einen Praktikanten-Stelle als Projektleiter/ -Bearbeiter. „Die Organisation, der Papierkram et cetera für diese Stelle war nicht einfach. Ich musste mich um tausend Dinge kümmern. Denn die Schweiz ist ja nicht in der Europäischen Union“, sagt Yang. Aber die Mühe hatte sich gelohnt. Zürich an sich gilt in Fachkreisen als vorbildlich in der Landschaftsarchitektur – und auch das Landschaftsarchitekurbüro seiner Wahl hatte einen guten Ruf.
Zwischen 2017 und 2022 arbeitet Fan Yang dann in Festanstellung bei verschiedenen Landschaftsarchitekurbüros, unter anderem auch in München. Dabei kam er immer wieder in Kontakt mit der Landeshauptstadt München, deren Beschäftigen und natürlich auch mit deren Auflagen sowie Regularien. Aber er empfand das in keiner Weise als negativ: „Ich wollte schon immer diese andere, verwaltungsmäßige Seite kennenlernen. Denn es ist ja wichtig was die Stadt will. Was sie für die Menschen, die Bewohner braucht.“
Landschaftsarchitektur für die Landeshauptstadt
So lag der Schritt nahe, sich bei der Landeshauptstadt München (LHM) zu bewerben. Im Februar 2023 begann er als Projektingenieur im Baureferat zu arbeiten. Konkret leitet und steuert er städtische Projekte, koordiniert bei Vorhaben zwischen der LHM und meist externen Landschaftsarchitekten. Tatsächlich geschieht der Großteil seiner Arbeit im Büro, im 5. Stock des Baureferat-Gebäudes an der Friedenstraße. Das belegen auch die zahlreichen Aktenschränke und lange Reihen von Leitz-Ordnern. Klar, Yang arbeitet immer an mehreren Projekten gleichzeitig, die sich jeweils in verschiedenen Phasen befinden: „Wir nennen das Leistungsphasen. Davon gibt es insgesamt neun Stück: Das geht vom ersten Entwurf eines Projekts, über die Genehmigung, die Ausführung, bis letztendlich zur Abnahme des Projekts.“ Und wie schon erwähnt, können Landschaftsarchitektur-Projekte mehrere Jahre dauern.
Empfindet der 35-Jährige denn diese vielen doch eher bürokratischen Arbeiten nicht als relativ unkreativ – im direkten Vergleich zu seiner früheren Arbeit in der freien Wirtschaft? „Nein, gar nicht. Diese Arbeit hier ist sehr wichtig, für ein gutes Projekt unabdingbar. Denn schließlich dienen die ganzen Vorgaben und Richtlinien, die man einhalten muss, den Menschen. Was nützt eine ‚fancy‘ Treppe in der KITA, wenn sich die Kinder verletzen könnten? Ich finde es spannend, solche Dinge zu durchdenken – und damit das Funktionieren zu gewährleisten.“
In München angekommen
Fan Yang besitzt immer noch und ausschließlich die chinesische Staatsbürgerschaft. Für Deutschland hat er eine zeitlich unbegrenzte Niederlassungserlaubnis. „Ich bin wohl der erste asiatische, chinesische Kollege hier im Gartenbau gewesen“, sagt Yang. „Natürlich gab es anfänglich manchmal eine gewisse Skepsis. Doch der Umgang war immer respektvoll. Man hat mich freundlich und wohlwollend aufgenommen.“
Yang und seine Frau lieben die Berge, das Voralpenland. Yang hat seiner Frau sogar den Heiratsantrag auf einem Berggipfel im Berchtesgadener Land gemacht. „Das Wetter war leider nicht so gut an diesem Tag. Aber es war trotzdem schön und auch sehr symbolträchtig für mich“, sagt Yang. Die anschließende Hochzeitsfeier in China haben die beiden dann in Lederhose und Dirndl gemacht mit rund hundert Verwandten und Freunden der alten Heimat.
Auch bei dem Treffen an der Grundschule in der Türkenstraße merkt man, dass Fan Yang angekommen ist. Er scherzt mit der Direktorin, wir reden über die immer unerträglicher werdende Hitze. Man verabschiedet sich herzlich. Auf dem Weg zur U-Bahn noch eine letzte Frage: Gab es da nie Gedanken, wieder zurück nach China zu gehen? „Ja, die gab es natürlich schon, aber jetzt steht fest: Ich möchte hier bleiben mit meiner Frau. Wir fühlen uns sehr wohl in München.“