Interkulturelle Öffnung der Langzeitpflege in München

Angebote für pflegebedürftige Migrant*innen in ambulanten, teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen.

Pflegebedarf von Senior*innen mit Migrationsbiografie

Pyramidenförmige Darstellung von Schlagworten zum Thema interkulturelle Öffnung in der Pflege.
Logo Interkulturelle Oeffnung in der Langzeitpflege

Die gesamte Bevölkerung lebt länger und wird älter. Viele Menschen brauchen Hilfe und Unterstützung, wenn sie alt werden. Bereits in den ersten beiden Dekaden der 2000er Jahre zeichnete sich ab: Die Zahl der pflegebedürftigen Migrant*innen wird in den kommenden Jahren stetig steigen. Sie und ihre Angehörigen sind zunehmend auf Unterstützungs- und Pflegeleistungen angewiesen.

Der Münchner Stadtrat beschloss deshalb im Dezember 2013 eine Rahmenkonzeption, um die Interkulturelle Öffnung in ambulanten, teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen in München zu fördern und spezielle Informationsangebote aufzubauen.

Das Rahmenkonzept zur Interkulturellen Öffnung der Langzeitpflege wurde von 2014 bis 2020 umgesetzt. Die Landeshauptstadt München unterstützte ambulante Pflegedienste sowie teilstationäre und vollstationäre Pflegeeinrichtungen dabei, Angebote für pflegebedürftige Menschen mit Migrationsbiografie weiter zu entwickeln und umzusetzen. Die Informationskampagne „Brücken bauen“ wurde gefördert, um pflegebedürftige Migrant*innen und deren Bezugspersonen über bestehende und neue Angebote gezielt zu informieren. Dazu wurden Informationsveranstaltungen angeboten, die in Zusammenarbeit mit Migrantenselbstorganisationen umgesetzt wurden.

Die Interkulturelle Öffnung ist kein Randthema, sondern eine dauerhafte Aufgabe. Deswegen beschloss der Stadtrat im November 2019 Maßnahmen zur Weiterentwicklung und Stärkung der Interkulturellen Altenhilfe und der Langzeitpflege in München.

Projektabschlussbericht

Das Sozialreferat hat am 09.07.2020 dem Sozialausschuss des Stadtrates den Abschlussbericht des Gesamtprojekts „Interkulturelle Öffnung der Langzeitpflege in München“ (Datei nicht barrierefrei) vorgelegt. Der Abschlussbericht skizziert die integrierten Bausteine des Rahmenkonzeptes und die Projektstrukturen. Die Kooperationspartner*innen werden vorgestellt und die konkrete Umsetzung der Maßnahmen beschrieben. Der Bericht illustriert ausgewählte Good-Practice-Beispiele und formuliert Empfehlungen, die dazu einladen, weitere Schritte zur Interkulturellen Öffnung zu machen.

Das große Engagement der beteiligten Träger, Einrichtungen und Projektleitenden, die hohe Kooperationsbereitschaft und die vertrauensvolle Zusammenarbeit in den Gremien haben wesentlich zum Erfolg des Modellprojekts beigetragen. An dieser Stelle soll ebenfalls den Multiplikator*innen von Migrantenselbstorganisationen, aus muttersprachlichen Gruppen und Gemeinden ausdrücklich gedankt werden. Ihr enormes ehrenamtliches Engagement hat die Verwirklichung der Informationskampagne "Brücken bauen" erst ermöglicht.

Ausgewählte Projektergebnisse

Im Folgenden werden ausgewählte Projektergebnisse vorgestellt. Dazu zählen Umbaumaßnahmen, Hilfsmittel und Handwerkzeug (Tools) für die Praxis, sowie interkulturelle Kochbücher.

Geförderte Umbaumaßnahmen in den vollstationären Pflegeeinrichtungen

Im Rahmen des Gesamtprojekt Interkulturelle Öffnung der Langzeitpflege 2014 bis 2020 erhielten die Träger der Modelleinrichtungen eine einmalige Förderung in Höhe von insgesamt 50.000 Euro für Umbau- und Gestaltungsmaßnahmen zur Interkulturellen Öffnung. Die Förderung schloss sowohl wirkungs- als auch funktionsbezogene Anpassungen ein. Die Fotodokumentationen zeigen anschaulich, welche innovativen Ansätze umgesetzt wurden.

Modelleinrichtungen

Im Horst-Salzmann-Zentrum der AWO München wurde das ehemalige Park Café zu einem Raum der interkulturellen Begegnung umgebaut und neu gestaltet. Dazu zählen auch die interkulturellen Nischen. Sie sind ausgestattet mit Gegenständen, die die Bewohnerinnen und Bewohner an ihre Herkunft, Heimat, Kultur und Sprache erinnern.

Im Senioren- und Pflegeheim Haus Alt-Lehel entstand ein transkultureller Abschiedsraum, der den Arbeitsschwerpunkt „transkulturelle Sterbebegleitung“ abrundet. Der Raum soll Bewohner*innen und Angehörigen ermöglichen, die letzten Tage oder Stunden in einem Umfeld zu verbringen, das die unterschiedlichen persönlichen und soziokulturellen Bedürfnisse in besonderem Maß berücksichtigen kann.

Im Leonhard-Henninger-Haus wurden zahlreichen Gestaltungsmaßnahmen umgesetzt. Im ehemaligen Speisesaal entstand ein interkultureller Raum der Ruhe und der Andacht. Dieser bietet allen Bewohner*innen und Mitarbeitenden einen Ort zum Beten, zum Singen und für Gemeinsamkeit im Gespräch.

Im Hans-Sieber-Haus der MÜNCHENSTIFT GmbH wurde im Jahr 2015 ein Wohnbereich mit spezifischen Angeboten für Menschen muslimischen Glaubens eröffnet. Zum einen wurde das Wohnzimmer in diesem Wohnbereich transkulturell gestaltet. Zum anderen wurde in enger Abstimmung mit religiösen Experten ein muslimischer Gebetsraum und ein Halal-Bereich in der Küche eingerichtet.

Im Haus Heilig Geist wurde bei den Umbau- und Gestaltungsmaßnahmen der Schwerpunkt auf Migrant*innen aus dem Mittelmeerraum gelegt. Schon zu Projektbeginn stammte die größte Gruppe der damaligen Bewohner*innen mit Migrationshintergrund aus dieser Region.

Die Sozial-Servicegesellschaft GmbH des Bayerischen Roten Kreuzes, Seniorenwohnen Kieferngarten hat einen „interreligiösen Raum der Stille“ geschaffen. In der Konzeptentwicklung und zur Begleitung der Umsetzung wurden Vertreterinnen und Vertreter von religiösen Gemeinschaften einbezogen. Entstanden ist ein migrationssensibles und interreligiöses Angebot, das allen Bewohner*innen, Mitarbeitenden und Besucher*innen offen steht.

Hilfsmittel für die Praxis: Überwindung von Sprachbarrieren

Im Rahmen des Gesamtprojektes wurden unter anderem Hilfsmittel für die Praxis entwickelt.

Hilfsmittel

Kommunikationskarten mit Illustrationen unterstützen Fachpersonen dabei, sprachliche Barrieren in der Betreuung und Pflege zu überwinden. Die Kommunikationskarten berücksichtigen Situationen, die sich an den Aktivitäten und existentiellen Erfahrungen des Lebens (AEDL) und spezifisch am Tagesablauf orientieren. Integriert sind zwei Karten zur Schmerzerfassung: Schmerzintensität mit den Wong-Baker-Faces und Schmerzlokalisation mit einem Körperschema.

  1. Wohlbefinden: Wie geht es Ihnen?
  2. Schmerzintensität: Haben Sie Schmerzen? Wie stark sind Ihre Schmerzen?
  3. Schmerzlokalisation: Wo haben Sie Schmerzen?
  4. Aufstehen aus dem Bett: Ich helfe Ihnen beim Aufstehen.
  5. Toilette: Müssen Sie zur Toilette?
  6. Vorbeugen: Beugen Sie sich bitte nach vorne.
  7. Aufstehen: Stehen Sie bitte auf.
  8. Mitkommen: Kommen Sie bitte mit.
  9. Grundpflege: Ich helfe Ihnen bei der Grundpflege.
  10. Hinsetzen: Setzen Sie sich bitte hin.
  11. Verband: Ich möchte Ihnen einen Verband anlegen.

Die illustrierten Kommunikationskarten sind in Deutsch sowie in 15 weiteren Sprachen in zwei Versionen kostenlos verfügbar. In der Version „Kommunikationskarten“ sind die Personen vollständig illustriert (Beispiel „Bitte kommen Sie mit“ auf Englisch - barrierefrei). In der Version „Kommunikationskarten_Ausmalversion“ können Haare, Frisuren und die Kleidung der zu pflegenden Person individuell gestaltet werden (Beispiele Ausmalversion „Bitte kommen Sie mit“ in verschiedenen Sprachen - eingeschränkt barrierefrei).

Falls Sie Probleme mit dem Herunterladen der Archive haben, können wir Ihnen die Dateien auch zusenden. Bitte schreiben Sie uns hierzu eine E-Mail an: ik-ah-pflege.soz@muenchen.de.

Raumschilder mit Illustrationen unterstützen die sprachunabhängige Orientierung in stationären Pflegeeinrichtungen. Die Schilder mit Illustrationen stehen stationären Pflegeeinrichtungen in Form einer PDF-Datei kostenlos zur Verfügung. Die PDF-Dateien enthalten eine Formularfunktion. Diese ermöglicht Pflegeeinrichtungen beispielsweise Richtungspfeile, ein Logo und eine Beschriftung einzufügen.

Folgende Raumschilder sind im Ordner Raumbeschilderung enthalten:

  • Stationszimmer/Stützpunkt
  • Bibliothek
  • Cafeteria
  • Interreligiöser Raum der Stille/Andachtsraum
  • Garten
  • Friseur
  • Speisesaal
  • Verwaltung
  • Fahrstuhl
  • Toiletten (w, m, d)

Der Ordner „ZIP-Dateien Raumschilder“ enthält die PDF-Dateien Raumbeschilderung, eine Beschreibung der Formularfunktion sowie einen Ordner mit Richtungspfeilen. Sie können diesen kostenlos herunterladen.

Handreichung Interkultureller Erinnerungskoffer

Im Rahmen des Gesamtprojektes wurde das Teilprojekt Interkultureller Erinnerungskoffer in Kooperation mit der Inneren Mission – Hilfe im Alter gGmbH und der Informationskampagne „Brücken bauen“, PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverband umgesetzt.

Informationen über das Projektteam, zum partizipativen Vorgehen in der Umsetzung und viele praktische Tipps entnehmen Sie bitte der Handreichung.

Interkulturelle Kochbücher – Spiegel der Vielfalt in den Einrichtungen

Bei drei Trägern wurden als Teilprojekte in der Projektumsetzung „Interkulturelle Kochbücher“ entwickelt. Die Idee war, durch die Vielfalt der Rezepte die kulturelle und kulinarische Vielfalt in den Einrichtungen aufzuzeigen. Entstanden sind kreative Kochbücher, die zum Ausprobieren einladen und die Anerkennung der Vielfalt widerspiegeln.

  • Vielfalt in Kunst und Kochen
    Evangelisches Pflegezentrum Westend (Leonhard-Henninger-Haus), Hilfe im Alter gGmbH, Diakonie München und Oberbayern
  • Yes we cook! – Kochbuch der Vielfalt
    MÜNCHENSTIFT GmbH
  • „So isst Kieferngarten“
    SeniorenWohnen Kieferngarten, Sozial-Servicegesellschaft GmbH des Bayerischen Rotes Kreuzes

Sie können die Kochbücher als PDF-Datei kostenlos unter folgender Adresse bestellen: ik-ah-pflege.soz@muenchen.de

Strategien und Kompetenzen gegen Diskriminierung

Anerkennung, Teilhabe und Chancengerechtigkeit sind zentrale Werte unserer Gesellschaft. Um diese Werte zu leben, müssen sich Institutionen und Einrichtungen klar gegen jegliche Form von Diskriminierung und insbesondere gegen rassistische Diskriminierung positionieren.

Die Bewohnerschaft und die Zusammensetzung der Mitarbeitenden wird in der stationären Langzeitpflege wie in anderen Arbeitsbereichen immer diverser. Dies bezieht sich auf Diversitätskriterien wie Alter, geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung, soziale Herkunft, nationale Herkunft, die Erfahrung rassistischer Zuschreibungen, geistig-körperliche Fähigkeiten, kulturelle Identität, Religion und Weltanschauung.

Der Umgang und die Konsequenzen bei Vorfällen von (rassistischer) Diskriminierung sollten nicht von einzelnen Personen abhängig sein. Vielmehr handelt es sich um eine organisationale, institutionelle Aufgabe. Die Auseinandersetzung mit rassistischer Diskriminierung ist ein zentraler Baustein im Kontext von Interkultureller Öffnung und diversitätsorientierter Organisationsentwicklung. Im Rahmen des Gesamtprojektes wurden verschiedene Maßnahmen entwickelt und umgesetzt:

Im Leonhard-Henninger-Haus der Hilfe im Alter gGmbH, Innere Mission München entstand ein Leitfaden zum Umgang mit Diskriminierung. Der Leitfaden bietet praxisorientierte Handlungsempfehlungen für Führungs- und Leitungspersonen von Einrichtungen.

Die MÜNCHENSTIFT GmbH führte innerhalb der Projektlaufzeit eine Fortbildungsreihe Antidiskriminierung und nach dem Ende der Projektförderung im Jahr 2019 die Kampagne „RESPEKT“ durch. Das Sozialreferat förderte den Film „RESPEKT. Diskriminierungsfrei miteinander leben und arbeiten.“, den die MÜNCHENSTIFT GmbH für diese Kampagne entwickeln ließ.

Das SeniorenWohnen Kieferngarten der Sozial-Servicegesellschaft des Bayerischen Roten Kreuzes GmbH nahm regelmäßig an den Internationalen Wochen gegen Rassismus teil.

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