Häusliche Gewalt
Die Zentrale Beschwerdestelle für häusliche Gewalt bietet unbürokratische Hilfe für Opfer, städtische Beschäftigte sowie für Führungskräfte.
Ausmaß von häuslicher Gewalt
Unter häuslicher Gewalt ist jede Art körperlicher, seelischer oder sexueller Misshandlung zwischen Personen, die innerhalb einer bestehenden oder im Zusammenhang mit einer früheren häuslichen Gemeinschaft oder Beziehung verübt, versucht oder angedroht wird, zu verstehen. Sie ist gekennzeichnet durch das Ausüben von Macht und Kontrolle über einen anderen Menschen.
Häusliche Gewalt ist unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildungsgrad oder kulturellem Hintergrund. Die Süddeutsche Zeitung meldet für das Jahr 2020 in München eine Zunahme von 3 Prozent auf 3016 Einsätze wegen häuslicher Gewalt. Es wurden 702 zivilrechtliche Kontakt- und Näherungsverbote ausgesprochen, was einer Zunahme von 9 Prozent entspricht (Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 12.3.2021).
Nach einer Meldung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist jede vierte Frau mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner (Quelle: Hintergrundmeldung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 10.11.2020).
Opfer von Partnergewalt sind in über 81 Prozent Frauen. In der kriminalstatistischen Auswertung des Bundeskriminalamtes von 2019 ist zu lesen, dass 141.792 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt wurden. Knapp 115.000 Opfer waren weiblich.
Nicht nur Frauen, sondern auch eine beträchtliche Anzahl Männer werden Opfer häuslicher Gewalt: Fast 27.000 Opfer waren männlich, das entspricht 18,96 Prozent. 2019 verloren dabei 301 Menschen ihr Leben dabei. Bei der statistischen Analyse der Tatverdächtigen zeigt sich, dass der weitaus größere Teil männlich ist, nämlich 79,4 Prozent. Dies ist ein sehr tabubehaftetes und schambesetztes Thema. Nur selten sind Männer bereit professionelle Hilfe bei Gewalt, umso mehr bei Gewalt durch Frauen, in Anspruch zu nehmen. Immerhin 20,6 Prozent der Tatverdächtigen sind weiblich.
Auch eine Dunkelfeld-Studie der EU-Agentur für Grundrechte vom März 2014 gibt Hinweise darauf, dass Gewalt gegen Frauen in der Europäischen Union weit verbreitet ist: Insgesamt waren geschätzt 62 Millionen Frauen in ihrem Leben unterschiedlichen Formen von Gewalt ausgesetzt. Jede dritte Frau in der Europäischen Union im Alter von 15 bis 74 Jahren wurde hiernach schon einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt.
2020 arbeiteten bei der Landeshauptstadt München rund 26.000 Frauen. Vor dem Hintergrund dieser Studie könnte man von mehr 6.500 potentiell gefährdeten Mitarbeiterinnen bei der Landeshauptstadt München ausgehen.
Die Geschichte von Vanessa M.
Vanessa M. ist 29 Jahre alt und Mutter einer 5-jährigen Tochter. Sie lebt mit ihrem Ehemann seit 5 Jahren zusammen.
Die schönen Tage in der Beziehung mit Christoph währten nicht sehr lange. Einige Wochen nachdem sie zusammen kamen begann er sie zu kontrollieren und einzuschränken. Sie versuchte sich anzupassen und ging immer seltener aus. Dann fingen seine Wutausbrüche an. Sie traten plötzlich und aus nichtigen Anlässen auf.
Anfangs wurde Christoph nur laut, später schlug er Türen oder warf auch mit Schlüsselbund oder anderen Gegenständen, die sich gerade fanden auf den Boden. Zuletzt blieb es nicht mehr bei lauten Worten oder einem zerbrochenen Teller. Den Worten folgten auch Schläge. Anfangs entschuldigte er sich mit Tränen in den Augen bei ihr, später kamen Vorwürfe.Vanessas Leben drehte sich nun fast ausschließlich darum zu spüren, in welcher Verfassung Christoph nach Hause kommen würde und wie sie sich am besten verhalten könne, um ihn nicht zu provozieren.
Vanessa kehrte wieder in Teilzeit an ihre vorherige Arbeitsstelle zurück. Sie geht gerne zur Arbeit und genießt es für wenige Stunden unter Menschen zu sein. Die körperlichen Verletzungen kann sie noch ganz gut mit ihrer Kleidung verbergen. Viel schwieriger ist es, die seelischen Auswirkungen zu verdecken.
Vanessa empfindet nicht nur Traurigkeit, Einsamkeit und Angst. Das Schlimmste für sie ist die Scham darüber, dass sie von ihrem Mann geschlagen wird. Sie ist sich sicher, dass andere sie mitleidig ansehen werden und nicht nachvollziehen können, wie man so etwas mit sich machen lassen kann. Und sie kennt keine Stelle, bei der sie sich Hilfe holen könnte. Vor allem sieht sie keine Möglichkeit sich außerhalb der Arbeit Hilfe zu holen, da ihr Mann sie dann fast ständig überwacht.
Erfahrungen wie diese sind kein Einzelfall. Häusliche Gewalt gilt weltweit als eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen und steht damit weit vorne in Europa, in Deutschland und auch in München.
Auswirkungen von häuslicher Gewalt
Die Auswirkungen von häuslicher Gewalt sind ebenso vielfältig wie gravierend. Betroffene erleben in der Regel massive körperliche und/oder sexuelle Übergriffe sowie psychische Gewalt in Form von Drohungen, Demütigungen oder Kontrollen, Bespitzelungen und Unterdrückung. Solche Ereignisse führen in einer Vielzahl der Fälle zu körperlichen Verletzungen und psychosomatischen Reaktionen.
Auch ist häufig eine Zunahme von selbstschädigendem Verhalten, wie Suchtmittelgebrauch oder -missbrauch (Rauchen, Alkohol, Schmerzmittel) zu beobachten. Diese hat wiederum Folgen für das Arbeitsleben: Unpünktlichkeit tritt auf, die Anzahl von Krankentagen steigt, die Arbeitsleistung verschlechtert sich.
Selbstverpflichtungserklärung gegen häusliche Gewalt
Die Landeshauptstadt München positioniert sich klar gegen häusliche Gewalt und vereinbart mit dem Gesamtpersonalrat eine gemeinsame Selbstverpflichtungserklärung gegen häusliche Gewalt. Mit Beschluss des Stadtrats vom 12.12.2012 wurde eine gemeinsame Selbstverpflichtungserklärung gegen häusliche Gewalt (PDF, 1480 KB) der Landeshauptstadt München und des Gesamtpersonalrats verfasst und am 15. März 2015 öffentlich unterzeichnet. Sie gilt für sämtliche von häuslicher Gewalt betroffene städtische Beschäftigte und soll innerbetriebliche Beratung und Unterstützung für Betroffene gewährleisten.
Es gibt nun eine zentrale Beratungsstelle für Mitarbeiter*innen der Landeshauptstadt München, die freiwillige, vertrauliche juristische und psychologische Beratung durch erfahrene Fachkräfte bietet. Der Besuch der Beratungsstelle gilt als Arbeitszeit. Selbstverständlich steht die Beschwerdestelle auch Führungskräften, Personalrät*innen oder Personalverantwortlichen zur Verfügung, wenn es um die Sorge oder auch eine konkrete Unterstützung von Mitarbeitenden geht.
Kontakt
Zentrale Beschwerdestelle nach dem AGG, für sexuelle Belästigung, häusliche Gewalt und Mobbing
Telefon: 233 – 26 44 9
Rathaus, Marienplatz 8
80331 München
Fax: 233 – 2 78 96
hbhg@muenchen.de
Das Aufgabenspektrum der Beschwerdestelle reicht von Beratung und Weiterleitung Ratsuchender an qualifizierte externe Fachstellen bis hin zu innerbetrieblichen Maßnahmen. So zum Beispiel der Anwendung des Hausrechts, der kurzfristigen Umsetzung betroffener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Anonymisierung der Telefonnummer im internen Telefonbuch. Abhängig vom Einzelfall wird flexibel entschieden, welche Maßnahmen im Sinne des Opfers sind und wie sie realisiert werden können.