Ernst-Hoferichter-Preis

Jährlich wird dieser Preis an zwei Autor*innen vergeben, die in ihrem Werk »Originalität mit Weltoffenheit und Humor« verbinden.

Über den Preis

Nach dem Tod des bekannten Münchner Publizisten Ernst Hoferichter setzte Hoferichters Witwe Franzi die Stadt 1975 als Erbin ein mit der Auflage, die Stiftung Ernst Hoferichter-Preis einzurichten. Seitdem werden im allgemeinen jährlich zwei Preise in Höhe von je 5.000 Euro von der Ernst Hoferichter-Stiftung vergeben (abhängig vom Ertrag des Stiftungsvermögens). Sie sind gedacht als Förderung für Autorinnen und Autoren, die wie Ernst Hoferichter „Originalität mit Weltoffenheit und Humor“ verbinden.

Als Preisträgerinnen und Preisträger kommen nur Autoren und Autorinnen in Betracht, die in München/der Region München leben oder in ihren Werken eine enge Verbindung zu München erkennen lassen. Über die Preisträgerinnen und Preisträger entscheidet der Stiftungsbeirat, zu dem neben dem Kulturreferenten und dem Direktor der Münchner Stadtbibliothek vier literarische Freunde Hoferichters bzw. die von ihnen bestimmten Nachfolger gehören: Katja Huber, Rebecca Faber, Brigitta Rambeck und Christian Ude.

Den Ernst Hoferichter-Preis erhielten

Josef Brustmann
An diesem Hoferichter-Preisträger verwundert eigentlich nur, dass er ihn nicht schon längst bekommen hat. Denn die einschlägigen Kriterien – Weltoffenheit, Originalität, Humor – treffen auf Josef Brustmanns wirklich große Kleinkunst uneingeschränkt zu.

Seine Familie war nach Krieg und Vertreibung aus Südmähren in Südbayern gelandet. Aufgewachsen ist Josef Brustmann in Waldram bei Wolfratshausen, einem Ort, an dem sich Geschichte wie im Zeitraffer ereignet hat: als „Lager Föhrenwald“ 1940 eine NS-Siedlung für deutsche Rüstungsarbeiter, ab 1945 Fluchtpunkt für befreite Zwangsarbeiter und Displaced Persons, ab 1956, nachdem die jüdischen Bewohner*innen teils gegen ihren Willen erneut umgesiedelt worden waren, umbenannt in Waldram und neue Heimstätte für katholische Heimatvertriebene. Wirklich aufgearbeitet wurde all das erst Jahrzehnte später, in einer ähnlich geduldig-detailgenauen Schürfarbeit, wie Josef Brustmann sie mit seinem 2024 erschienenen Buch Jeder ist wer. Menschenwege in Herzgegenden auch in seiner persönlichen Familiengeschichte geleistet hat.

Als achtes von neun Kindern, so die augenzwinkernde Selbstauskunft, hat er unter „ständigem Singen und Lärmen einer Unzahl größerer Geschwister – sozusagen aus Notwehr – eine kräftige Stimme entwickelt und zahlreiche möglichst laute Instrumente erlernt: Tuba, Kontrabass, Klavier, Cello“. Dennoch sind es die eher leisen Töne, die ihn als Musiker (unter anderem in Gruppierungen wie Bairisch Diatonischer Jodelwahnsinn, MonacoBagage, im brandneuen Drei Männer-Gesang Brustmann-Schäfer-Horn), seit 2004 als Solokabarettist und mit Jeder ist wer nun auch als Autorenstimme so einzigartig und unverwechselbar machen. Unter den sieben bis zehn Instrumenten („je nach Anspruchshaltung, und ob man Mundharmonika und Maultrommel noch dazuzählt“), die er virtuos beherrscht, ist sein eigentliches „Herzensinstrument“, bei aller Lust und dem Talent, es auch mal „krachen zu lassen“, eben doch die zartbesaitete Zither, die bei kaum einem seiner öffentlichen Auftritte fehlen darf. 

Brustmann selbst bekennt: „Das Schreiben als Kabarettist, mit Blick aufs Publikum, zwingt, bei allem Tiefgang, zum Lustigsein und zur Pointe. Ein Buch zu schreiben ist anders, man schreibt erst einmal nur für sich.“ Und dann doch wieder für alle. Edgar Selge bringt das unbeschreibliche Leser*innenglück auf den Punkt: „Jeder ist wer ist ja was ganz besonders Schönes. So was hab ich noch nie gelesen. Wer so fast unmerklich, fast übergangslos von der Prosa in die Lyrik gleitet, und wieder zurück, erzählt auch eine Vertreibungs-Geschichte anders als wir sie zu kennen glauben.“ Und: Man ist mit Josef Brustmann immer mittendrin im „herrlich ergreifenden Lebensschlamassel“, wie Autorenkollege Johano Strasser schwärmt, und damit gebührt ihm, längst verdient, nun der Ernst-Hoferichter-Preis.

Gesche Piening
Gesche Piening ist als Theater-, Radio- und Kunstschaffende fest im Münchner Kulturleben verankert und wirft von dort aus immer wieder neue Anker aus. Als Regisseurin und Autorin eines umfangreichen Werks mit zahlreichen performativen Theaterinstallationen, preisgekrönten Radiofeatures und Hörspielen widmet sie sich seit über einem Jahrzehnt drängenden, oftmals tabuisierten gesellschaftspolitischen und sozialen Fragestellungen. Dabei hat sie eine einzigartige, höchst rechercheintensive Arbeitsweise und stilprägende Ästhetik entwickelt. So reicht etwa die Liste der Interviewpartner*innen für das inszenierte Hörspiel „Einsam stirbt öfter. Ein Requiem“ (2020) von Diakon, Sachgebietsleiterin, Friedhofsaufseher über Kommissarin, Gerichtsmediziner und Städtischer Wohnbau­gesellschaft bis hin zu BISS-Verkäufer und Wohngruppenleiterin.

Vom erweitert Dokumentarischen entwickeln sich Gesche Pienings Arbeiten sukzessive zum präzise und vielschichtig komponierten medienkünstlerischen Gesamtkunstwerk. Eine fortlaufende Öffnung hin zu anderen Kunstgattungen und Ästhetiken geht damit einher. Zuletzt vereinte sie im Sommer 2024 unterschiedliche Gewerke zu ihrer jüngsten Münchner Uraufführung: Für „Sei uns sicher“ arbeitete Gesche Piening mit einem Schauspieler, zwei Komponisten, mehreren Musikern, bildenden Künstler*innen, Video-, Licht- und Audio-Künstlern sowie einem Duftkünstler. Der sechs Räume umfassende Theaterparcours konfrontierte sein Publikum mit überlagerten, interagierenden Livedarbietungen, Tonspuren, Projektionen – und immer auch dem eigenen Sicherheitsempfinden.

Pienings sich mehr und mehr erweiternder Kunstbegriff schlägt sich nicht zuletzt in ihrem politischen Engagement für die Belange freischaffender Künstler*innen nieder: Sie ist Gründungsmitglied des Netzwerks Freie Szene München und baut derzeit ein transdisziplinäres Team auf, das in wechselnden Formationen neue ästhetische Formen und Kunstprojekte realisiert. Diese „Plattform“ soll im Zeitalter reduzierter oder gänzlich gestrichener Etats für nachhaltige Werkbiografien sorgen und einer Kunst jenseits von marktorientierter Produktion Wirkungsmacht verleihen.

Einfachen Antworten begegnet Gesche Piening grundsätzlich mit komplexen Fragen. Sie setzt mit ihren ästhetischen Mitteln nicht auf Illustration, sondern auf Irritation. Das ist ebenso herausfordernd wie erkenntnisreich – und macht Spaß! Denn bei aller Drastik und Tragik der gewählten Themen widmet Piening sich ihnen mit einem Humor, der vom kunstvollen Kalauer bis zum pointierten Witz reicht.

In Zeiten sich immer mehr verengender politischer Spielräume öffnet Gesche Piening nicht nur sich und ihren Kolleg*innen neue Kunst- und Handlungsräume, sondern arbeitet auch konsequent an der Horizonterweiterung ihres Publikums. Das ist gelebte und praktizierte Weltoffenheit im besten Sinne.

  • 2024
    Katja Huber und Pierre Jarawan
  • 2023
    Deniz Aykanat und Karl Stankiewitz
  • 2022
     Fee (Felicia) Brembeck und Alex Rühle
  • 2021
    Wolfgang Ettlich, Jaromir Konecny, Barbara Yelin
  • 2020
    Dana von Suffrin, Rudi Hurzlmeier
  • 2019
    Dieter Hanitzsch, Christine Wunnicke (wurde von der Preisträgerin abgelehnt)
  • 2018
    Karl-Heinz Hummel
  • 2017
    Thomas Grasberger
  • 2016
    Ali Mitgutsch
  • 2015
    Christoph Süß
  • 2014
    Sarah Hakenberg, Marcus H. Rosenmüller
  • 2013
    Gerd Holzheimer, Luise Kinseher
  • 2012
    Jörg Maurer, Hans Pleschinski
  • 2011
    Kerstin Specht, Jan Weiler
  • 2010
    Frank-Markus Barwasser/Erwin Pelzig, Hermann Unterstöger
  • 2009
    Lena Gorelik, Matthias Politycki
  • 2008
    Ernst Augustin, Christine Grän
  • 2007
    Monika Gruber, Albert Sigl
  • 2006
    Zé do Rock, Dagmar Nick
  • 2005
    Anatol Regnier, Walter Zauner
  • 2004
    Wellküren (Veronika Lilla, Burgi Well, Monika Well-Hösl)
  • 2003
    Hans Meilhammer und Claudia Schlenger, Tilman Spengler
  • 2002
    Georg Maier, Fabienne Pakleppa
  • 2001
    Franz Xaver Bogner, Ernst Maria Lang
  • 2000
    Albert Ostermaier, Hella Schlumberger
  • 1999
    Herbert Achternbusch, Maria Peschek
  • 1998
    Renate Just, Georg Ringsgwandl
  • 1997
    Axel Hacke, TamS (Eberhard Kürn, Anette Spola, Rudolf Vogel)
  • 1996
    Franz Geiger, Keto von Waberer
  • 1995
    Doris Dörrie, Sten Nadolny
  • 1994
    Gabi Lodermeier, Willy Purucker
  • 1993
    Lothar Günther Buchheim, Asta Scheib, Helmut Seitz
  • 1992
    Anne Rose Katz, Joseph von Westphalen
  • 1991
    Ernestine Koch, Herbert Rosendorfer
  • 1990
    Barbara Bronnen, Bruno Jonas
  • 1989
    Ernst Günther Bleisch, Karl Heinz Kramberg
  • 1988
    Wolfgang Ebert, Alexeji Sagerer, Michael Skasa
  • 1987
    Karl Hoche, Hanns-Christian Müller, Ponkie, George Tabori
  • 1986
    Hannes Burger, Rachel Salamander, Herbert Schneider, Klaus Peter Schreiner
  • 1985
    Biermösl Blosn (Christoph, Hans und Michael Well), Franz Xaver Kroetz, Siegfried Zimmerschied
  • 1984
    Philip Arp, Oliver Hassencamp, Ellis Kaut, Marianne Sägebrecht
  • 1983
    Carl Borro Schwerla, Sigi Sommer, Ernst Wendt
  • 1982
    Jörg Hube, August Kühn, Kurt Seeberger
  • 1981
    Sarah Camp, Armin Eichholz, Hannes König
  • 1980
    Peter de Mendelssohn, Gerhard Polt, Herbert Riehl-Heyse
  • 1979
    Franziska Bilek, Dieter Hildebrandt, Konstantin Wecker
  • 1978
    Effi Horn, Wilhelm Lukas Kristl, Hellmut von Cube
  • 1977
    Rolf Flügel, Anton Sailer, Martin Sperr
  • 1976
    Eugen Roth, Karl Spengler, Karl Ude
  • 1975
    Carl Amery, Isabella Nadolny

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