Stipendien für Bildende Kunst

Das Kulturreferat vergibt jährlich sechs Stipendien als Förderung von Projekten in allen Bereichen der Bildenden Kunst.

Förderung für junge Künstler*innen

Die Landeshauptstadt München vergibt jährlich sechs mit jeweils 8.000 Euro dotierte Stipendien im Bereich Bildende Kunst. Ziel der Stipendien ist die Förderung von Münchner Künstler*innen am Anfang der Professionalität. Für die Bewerbung wird eine abgeschlossene, einschlägige akademische Ausbildung vorausgesetzt.

Eine vom Stadtrat berufene Jury bereitet einen Entscheidungsvorschlag vor. Der Stadtrat entscheidet aufgrund der Vorschläge der Jury in nichtöffentlicher Sitzung.

Eigenbewerbung ist erforderlich.

Stipendien für Bildende Kunst erhielten

Cana Bilir-Meier, Katrin Bittl, Vincent Hannwacker, Sandra Harpreet Singh, Anna Knöller, Kristina Schmidt

Jurybegründungen

Cana Bilir-Meier

Cana Bilir-Meier widmet sich in ihrem Projektvorhaben unter dem Arbeitstitel „We all carry the stories within us …“ dem Begriff „Gastarbeiter“ und damit einem Thema, das sich in der Aufarbeitung westdeutscher Geschichte nach wie vor als unterrepräsentiert zeigt. Cana Bilir-Meier greift dabei auch die bedeutende Rolle der Musikkultur von Arbeitsmigrant*innen in der BRD auf. Die intensive Recherche zu historischem Material verbindet sie mit dem Zusammenspiel eigenständiger musikalischer Positionen. Dabei gelingt es ihr, dem Thema mitunter auch humorvoll zu begegnen. In der Verschränkung von Text, Musik und Film vollzieht die Künstlerin zugleich eine Annäherung an den ambivalenten Begriff sowie dessen Dekonstruktion.

Die geplante Videoinstallation wird die Archivrecherche mit den von der Künstlerin geführten Interviews verbinden. Im Fokus steht dabei ein Wettbewerb, der 1970 vom WDR initiiert wurde und bei dem ein geeigneteres, alternatives Wort für den Begriff des „Gastarbeiters“ gefunden werden sollte.

Cana Bilir-Meiers Arbeitsvorhaben leistet aus künstlerischer Perspektive einen wichtigen Beitrag zum Themenkomplex der Arbeitsmigration in die BRD. Ihre auf den Begriff „Gastarbeiter“ fokussierte Auseinandersetzung gibt der Macht von Sprache und ihren Konsequenzen, die bis in die Gegenwart reichen, neuen Raum. In der Intensität, mit der sich Cana Bilir-Meier seit Jahren auf migrantisches Wissen und Gegennarrative konzentriert, fördert sie die wichtige gesellschaftliche Sensibilisierung für oftmals unhinterfragte Blickweisen und Annahmen.

Katrin Bittl

In ihrer neuen Werkgruppe „Pee Privileg“ macht Katrin Bittl etwas sichtbar, was vielen sonst verborgen bleibt. Sie thematisiert das gesellschaftliche Versagen, den Grundbedürfnissen von Menschen mit diversen Körpern nicht zu entsprechen, wenn es für sie außerhalb ihrer privaten Räume kaum Möglichkeiten gibt, verfügbare, für sie geeignete Toiletten zu finden.

Die 1994 in München geborene Künstlerin offenbart so die oft verdrängten Zusammenhänge zwischen körperlicher Konstitution und alltäglichen Widerständen. In performativen Inszenierungen, die das Urinieren in öffentlichen Räumen in Szene setzen und in hoch ästhetische Aufnahmen übertragen, überspitzt sie dies in künstlerischer Form. Ihre Natürlichkeit im Umgang mit der Nacktheit des eigenen diversen Körpers und ihre aktivistischen Motive verleihen ihren Werken eine berührende und poetische Kraft. Bittl macht uns bewusst, wie wir unsere Körper einerseits disziplinieren und welche Verantwortung wir andererseits haben, Teilhabe und Gleichberechtigung für alle Menschen zu gewährleisten – zum Beispiel auch durch barrierefreie Zugänge zu sanitären Anlagen.

Vincent Hannwacker

Der Broadway als eine der ältesten und längsten Straßen Manhattans ist nicht nur weltweit als Theatermeile bekannt, er ist ebenso historisches Relikt wie Kristallisationsfläche aktueller politischer Entwicklungen. Vincent Hannwackers Vorhaben, diese Straße von Norden nach Süden abzufahren und diese Fahrt in einer Drei-Kanal-Videoarbeit künstlerisch zu dokumentieren, ist so schlicht wie eindrucksvoll. Neben kunsthistorischen Referenzen, die er einbindet und die von Phillip-Lorca diCorcia über Ed Ruscha bis Pope.L reichen, führt der Meisterschüler von Julian Rosefeldt in „Driving down Broadway“ die amerikanische Geschichte mit jüngsten sozio-politischen Entwicklungen zusammen. Der Broadway als komplexes sozio-kulturelles Feld, auf dem Verlierer und Gewinner des Systems auf einer Straße zusammenrücken, wird für Hannwacker zum Sinnbild des Kapitalismus. Alle Facetten des amerikanischen Traums scheinen dort aufeinander zu treffen, wo, so formuliert er es, „riesige Werbetafeln und die Lichter der Broadway-Theater den großen Ruhm versprechen, wo Wohnungslose auf dem Bürgersteig kampieren, während andere ein paar Blocks weiter über die Weltwirtschaft entscheiden“. Hannwackers Bilder beobachten, dokumentieren und verdeutlichen. Sein Blick auf diese Straße führt uns die Widersprüchlichkeiten unserer Zeit vor Augen. 

Sandra Harpreet Singh

In ihrem künstlerischen Rechercheprojekt „Virtual War (on Women)” setzt sich Sandra Harpreet Singh mit dem Zusammenhang von Rechtsextremismus und Formen von Misogynie, also Frauenfeindlichkeit, in digitalen Räumen auseinander. Ihr medienreflexives Vorhaben, das in eine Multimedia-Präsentation münden wird, nimmt damit ein Thema von großer gesellschaftlicher Relevanz in den Blick. In einer sich verdichtenden Materialsammlung verwebt die Künstlerin Ergebnisse investigativer Online-Recherchen mit eigenen Bild- und Videoarbeiten.

Die künstlerische Auseinandersetzung von Sandra Harpreet Singh entwickelt ihre ästhetische Formfindung immer in Verschränkung mit Fragen der Vermittlung. Auf diese Weise gelingt es ihr, die kritischen Inhalte öffentlich zu verhandeln, ohne in die Narrative und Repräsentationen der Täter zu verfallen. So entstehen künstlerische Projekte von sozial-politischer Bedeutung.

Anna Knöller

In ihrer künstlerischen Arbeit beschäftigt sich Anna Knöller mit dem Rechtssystem und Phänomenen der Rechtsprechung. Ihre Recherchen und Ortsanalysen übersetzt sie in abstrahierender Form in unterschiedliche Notationen, mit denen sie die wahrgenommenen räumlichen Strukturen oder situativen Handlungen der Beteiligten in symbolische Zeichensysteme überträgt. Dies können Performances, minimalistische Rauminstallationen oder Kartographierungen sein.

Für ihr neues Projekt „ICC numerus“ setzt sie sich mit der Architektur des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court) in Den Haag auseinander. Dabei interessiert sie vor allem die Rolle des Gebäudes im Hinblick auf dessen Wirkungsmacht und Einfluss auf beobachtete Rituale und Inszenierungen in den Gerichtsverhandlungen. Die Künstlerin transferiert die architektonischen Strukturen und Besonderheiten von Gerichtsaal 1 des ICC in stenografische Notationen. Zusammen mit einer/m Schlagzeuger*in und einer/m Tontechniker*in werden diese als Rhythmen vertont. In einer begehbaren Raum- und Soundinstallation überlagern sich verschiedene Tonspuren, Rhythmen und visuelle Resultate ihrer Raum-Analyse.
Der Internationale Strafgerichtshof als Verhandlungsort des Völkerstrafrechts ist politisch wie gesellschaftlich relevant für zukünftige Generationen. Mit „ICC numerus“ weitet Anna Knöller ihre bisher regionalen und nationalen Forschungen zu Rechtsprechung und Judikative nicht nur auf eine internationale Ebene aus, sondern betont auch die perspektivische Dimension dieser juristischen Verfahren.

Kristina Schmidt

Kristina Schmidt bewegt sich spielerisch und humorvoll zwischen den Medien, immer bemüht diese ineinander verschränkt zu denken und in Kommunikation miteinander zu bringen, etwa in dem selbstverständlichen Verweben von Malerei, Text, Skulptur, digitalem Bild und Installation. Mit dem Arbeitsvorhaben „endless loop“ intensiviert Kristina Schmidt nun die bereits bestehende Auseinandersetzung mit dem für Künstler*innen relevanten Bereich, der nie endenden Herausforderung der Soloselbstständigkeit mit all ihren Fallstricken der kapitalisierten Realität. Für die künstlerische Bearbeitung des existenziellen Themas hat sich Kristina Schmidt ein Team von Kulturarbeiter*innen als weitere Stimmen und Perspektiven zusammengestellt, mit deren fachlicher Expertise eine animierte Skulptur erarbeitet werden soll, die gleichzeitig als Display für einen experimentellen Kurzfilm dient. In dem Arbeitsvorhaben geht es neben der Erarbeitung einer neuen Ausstellung gleichbedeutend um den Prozess der künstlerischen Arbeit und den professionellen Austausch einer Gruppe von ausgewählten Kulturarbeiter*innen. Dieses Arbeitsvorhaben vermittelt sich als Suche nach einer künstlerischen Antwort und vielleicht auch als humorvolles Zeugnis gegenwärtiger Arbeitsbedingungen von Künstler*innen, die in der Regel meist immer noch ein verdeckter Teil der anspruchsvollen, unsichtbaren und oft unbezahlten künstlerischen Produktion sind.

  • 2024
    Cana Bilir-Meier, Katrin Bittl, Vincent Hannwacker, Sandra Harpreet Singh, Anna Knöller, Kristina Schmidt, Béla Juttner
  • 2022
    Clara Laila Abid Alsstar, Kalas Liebfried, Jonghoon Im, Janina Roider, Patrik Thomas, Giulia Zabarella
  • 2021
    Beowulf Tomek, Janina Totzauer, Gülbin Ünlü und  Paul Valentin
  • 2020
    Samuel Fischer-Glaser und Angela Stiegler, Laura Leppert, Anna M. Pascó Boltà, Viola Relle und Raphael Weilguni
  • 2019
    Gretta Louw, Lorenz Mayr, Jonas von Ostrowski, Judith Neunhäuserer und Mathias R. Zausinger
  • 2018
    Elke Dreier, Stefan Fuchs, Lee JiYoun, Lena Policzka
  • 2017
    Timothy Bennett, Federico Delfrati, Zita Schüpferling, Carina Shoshtary
  • 2016
    Ben Goossens, Lukas Kindermann, Keiyona Constanze Stumpf, Verena Seibt & Thomas Splett
  • 2015
    Felix Leon Westner, Agnes Jänsch, Stefanie Hofer, Carsten Nolte
  • 2014
    Heike Jobst, Angela Stauber, Anja Uhlig, Lisa Katrin Winkler
  • 2013
    Ulrich Gebert, Esther Rutenfranz, Peter Weiss, Ralf Homann / Manuela Unverdorben
  • 2012
    Anuk Miladinović, Elisabeth Magdalena Reitmeier, Ulla Rossek, Franz Wanner
  • 2011
    Gürsoy Dogtas, Jadranka Kosorcic, Stefan Lenhart, Nina Annabelle Märkl
  • 2010
    Benedikt Gahl / Veit Kowald, Kaori Nakajima, Andreas Lang, Susanne Wagner
  • 2009
    Albert Coers, Daniel Permanetter, Christian Schnurer, Clea Stracke & Verena Seibt Anna McCarthy
  • 2008
    Veronika Dimke, Lisa Erb, Silke Markefka & Nikolai Vogel und Peggy Meinfelder
  • 2007
    Andrea Faciu, Lucia Falconi, Paul Huf und Alexander Steig
  • 2006
    Helen Britton, Christian Engelmann, Stefano Giuriati und Erika Krause
  • 2005
    Beate Engl, Gregor Passens, Stefanie Trojan, Valio Tschenkov
  • 2004
    Heike Döscher, Stefan Eberstadt, Jens Kabisch, Claudia Wieser
  • 2003
    Nevin Aladag, Tom Früchtl und Wolfgang Stehle, Michael Schrattenthaler, Stephanie Senge
  • 2002
    Petra Gerschner, Jürgen Heinert, Eva Leitolf, Martina Salzberger
  • 2001
    Loretta Lux, Stephanie Maier, Thomas Thiede, Friederike & Uwe
  • 2000
    Lela Budde, Angela Dorrer, Wolfgang Groh, Veronika Veith
  • 1999
    Burkard Blümlein, Pauline Schimmelpenninck, Ulrich Schmitt, Andreas Wutz
  • 1998
    Angelika Böck, Angelika Hoegerl, Julia Kissina, Ursula Rogg
  • 1997
    Sabine Fockner, Pia Lanzinger, Anna Leonie, Theda Radtke, Nevin Aladag (Leonhard– und Ida–Wolf–Gedächtnispreis)
  • 1996
    Christiane Dörrich, Rawle Harper, Sabine Haubitz, M + M
  • 1995
    Maria Buchner, Karl Fritsch, Sabrina Hohmann, Kristine Oßwald
  • 1994
    Stefan Becker, Zoltan Jokay, Michael Lutz, Martin Schmidt
  • 1993
    Roland Fischer, Iris Hackl, Michael Hauffen, Thomas Huber
  • 1992
    Anna Anders, Johannes Brunner&Raimund Ritz, Kay Winkler, Jess Walter
  • 1991
    Sabine Kammerl, Eva Ruhland, Hubertus von Skal, Stefanie Unruh
  • 1990
    Patricia London Ante Paris, Uwe Oldenburg, Bert Rückert, Pavel Schmidt
  • 1989
    Carola Heine, Gabi Höbel, Hans-Peter Porzner, Brigitte T.A. Tischler
  • 1988
    Doris Titze, Reiner Wiesemes, Wolfgang Achmann, Michael Kunze
  • 1987
    Michaela Melián, Johannes Muggenthaler, Haralampi (Harald) Oroschakoff, Alexandra Stadtbäumer
  • 1986
    Magdalena Jetelova, Michael Böhmer, Petra Linck, Angelika Bader ⁄ Dietmar Tanterl
  • 1985
    Aribert von Ostrowski, Svava Björnsdottir, Monika Huber, Anna Tretter
  • 1984
    Hubertus Reichert, Regine von Chossy, Christoph Drexler, Samuel Rachl
  • 1983
    Lali Johne–Honsell, Stephan Huber, Kuno Lindenmann, Ursel Lill–Stühler, Michael Eckle, Peter Casagrande, Joachim Jung, Rotraut Fischer, Horst Thürheimer, Herbert Rometsch
  • 1982
    Helmut Rieger, Michael von Cube, Albert Hien, Viktor Kraus, Lukas Duwenhögger, Peter Mell, Heiko Herrmann, Wilhelm Holderied, Rainer Silbereisen, Stephan Kern
  • 1981
    Hormtientong Somboon, Erhard Haller, Gerd Jäger, Alfred Görig, Jockel Heenes, Ingo Glass, Bodo Buhl, Reinhard Fritz, Franziska Ablinger, Angelika Hofmann
  • 1980
    Nikolaus Gerhart, Dieter Villinger, Marianne Lautensack, Hans Seeger, Hansfried Münchberg, Shirley Shilling, Barbara Henning, Cristine Gruber, Ralf Meyer–Ohlendorf, Otto Künzli

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