Stipendium Interkulturelles / Internationales
Die Stipendien sollen Kulturschaffenden ermöglichen, sich interkulturell oder international weiterzuentwickeln.
Über das Stipendium
Die Landeshauptstadt München vergibt alle zwei Jahre mehrere Stipendien, die mit jeweils 8.000 Euro dotiert sind. Erstmalig wurde das Stipendium im Jahr 2022 vergeben, danach in den jeweils folgenden geraden Jahren (2024, 2026 et cetera).
Für das „Stipendium Interkulturelles / Internationales“ können sich neben Künstler*innen ebenso Kurator*innen und Kulturschaffende bewerben. Diese Fördermöglichkeit steht somit auch den vielen netzwerkenden Multiplikator*innen, Gestalter*innen und Vermittler*innen von Kulturangeboten in München offen. Es wird als Pauschalsumme an Einzelpersonen vergeben.
Das Stipendium bietet die Möglichkeit, internationale und interkulturelle Netzwerke weiter zu erschließen und zu pflegen. Es unterstützt die freien Kreativen Münchens in ihrer international verknüpften Kulturarbeit, betont den interkulturellen Austausch und ermöglicht eine professionelle und nachhaltige Vernetzung Münchner Kulturschaffender in die Welt. Dadurch soll eine von Vielheit geprägte Stadtgesellschaft in ihrem kulturellen Schaffen bestärkt und zusätzliche Sichtbarkeit erreicht werden.
Das Stipendium Interkulturelles / Internationales erhielten
Die Stipendien erhielten:
Sandra Chaterjee, Seray Erbaşi, Nuria Gómez, Karnik Gregoria, Andrea Huber, Alexandra Martini, Anna Mc Carthy, Serhat Parhat, Alexandra Weigand
Jurybegründungen (alphabetisch)
Sandra Chaterjee
Das Vorhaben „Dancing in de|colonial time“ überzeugt durch seine hohe konzeptionelle Klarheit, seine Poesie und seine politische Relevanz. Die künstlerische Recherche greift ein außergewöhnlich spannendes Thema auf – die Dekolonisierung von Zeit – und verbindet theoretische Reflexion mit körperlicher, performativer Praxis. Besonders hervorzuheben ist der innovative Ansatz, über Tanz, Musik und Rituale alternative Zeitverständnisse erfahrbar zu machen und sie als Möglichkeit kultureller Resilienz und Widerständigkeit zu begreifen.
Die Verknüpfung persönlicher biografischer Bezüge mit einer internationalen Perspektive (Java, Mexiko, Marokko) verleiht dem Vorhaben Tiefe und Authentizität. Das Projekt öffnet neue Diskursräume zwischen Kunst, Kulturwissenschaft und postkolonialer Theorie und zeigt auf, wie Tanz als Medium gesellschaftliche und zeitliche Ordnungen hinterfragen kann.
Die Jury hat sich für dieses Projekt entschieden, weil es sowohl künstlerisch als auch inhaltlich innovativ ist, globale Perspektiven einbezieht und das Potenzial besitzt, einen wichtigen Beitrag zur Reflexion von Zeit, Macht und Körper und zum interkulturellen Dialog in der Stadtlandschaft Münchens zu leisten.
Seray Erbaşi
Die Bewerberin überzeugt mit einem inhaltlich fundierten und strategisch klar ausgerichteten Antrag, der eng mit der Erweiterung ihres professionellen Netzwerks verknüpft ist. Durch ihre Tätigkeit als Leitung Kultur im Bellevue di Monaco verfügt sie über eine solide lokale Verankerung und bringt gleichzeitig ein ausgeprägtes Interesse an internationalen Anknüpfungspunkten mit – insbesondere durch Kontakte zu lokalen Initiativen, Vereinen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen einerseits sowie nach Italien und in die Türkei andererseits, verbunden mit den geplanten Recherchen in Damaskus, der Türkei, Palermo und ggf. Paris.
Im Zentrum des Vorhabens steht die Frage nach kultureller Teilhabe von Menschen mit Fluchterfahrung. Geplant sind Recherchen in unterschiedlichen Kontexten: ein digitales Archiv in Damaskus, das Kinderprojekt Sirkhane in der Türkei sowie ein von Menschen mit Fluchterfahrung betriebenes Restaurant in Palermo. Diese vielfältigen kulturellen Bezüge werden gezielt in ihre Arbeit in München eingebracht und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur inhaltlichen Weiterentwicklung des Netzwerks.
Die Bewerberin zeigt ein hohes Maß an Eigeninitiative, Professionalität und strategischem Denken. Ihr Vorhaben verbindet kulturelle Praxis mit gesellschaftlicher Relevanz und setzt wichtige Impulse für die internationale Ausrichtung.
Nuria Gómez
Das Projekt „Identität in Bewegung – Entwicklung interkultureller Bildungskonzepte für Münchner Ganztagsschulen“ von Nuria Gómez Garrido überzeugt durch seinen innovativen, künstlerisch fundierten und pädagogisch seltenen Ansatz. Es verbindet Film, Fotografie und Theater zu einem reflektierten Konzept interkultureller Bildung, das den Austausch auf Augenhöhe fördert und Jugendlichen ermöglicht, Fragen von Identität, Zugehörigkeit und Diversität kreativ zu erforschen.
Besonders relevant ist, dass das Projekt die Themen interkulturelle Bildung und Ganztagsschule miteinander verknüpft, ein hochaktuelles Feld angesichts der wachsenden superdiversen Münchner Schülerschaft. Die internationale Vernetzung mit Cinescuela (Kolumbien/Frankreich) und DOK.education München stärkt die Qualität und Nachhaltigkeit des Vorhabens.
Die Jury würdigt die hohe Kohärenz zwischen Thema, Haltung und künstlerisch-pädagogischem Profil der Bewerberin und sieht in diesem Projekt einen wichtigen Impuls für eine zukunftsorientierte kulturelle Bildungsarbeit in München.
Karnik Gregorian: DIASPORA ≠ DAS ZERSTREUEN
Karnik Gregorian ist mit seinen künstlerischen und aktivistischen Projekten seit Jahren fest in der Freien Szene der Stadt München etabliert und hat sich darüber hinaus auch national und international – etwa in der Zusammenarbeit mit dem Regisseur Nuran David Calis oder durch Produktionen der Galerie Kullukcu Gregorian – vor allem im Bereich der darstellenden Künste positioniert. Als Journalist und Regisseur sind seine Arbeiten insbesondere im Kontext des postmigrantischen Theaters zu verorten. Immer wieder greift er essenzielle gesellschaftliche Themen wie Rassismus, Heimat oder Liebe auf und fragt, wie wir in der flüchtigen Moderne (Bauman 2003) leben.
Karnik Gregorian arbeitet mit Akteur:innen aus den betreffenden Feldern, u.a. mit minderjährigen Geflüchteten, und ebenso mit professionellen Schauspieler:innen. Zuletzt hat er gemeinsam mit Bülent Kullukcu die Produktion „Teutonistan“ realisiert, die ebenso politisch wie poetisch zurückblickt und nach der Bedeutung der sogenannten Gastarbeiter:innen für die bundesdeutsche Gesellschaft fragt. Zu Beginn seiner Karriere hat sich Karnik Gregorian schon einmal filmisch mit den Gerichten seines Vaters und dessen Migrationserfahrung als Armenier in der Türkei und der Bundesrepublik befasst – in den Speisen und Rezepten von Kevork Gregorian sind sämtliche Stationen seiner Biografie verschmolzen und manifest geworden –, die nun geplante Recherche nimmt diesen Komplex wieder auf und befasst sich mit der Frage, wie Zugehörigkeiten und Beziehungen in der Diaspora hergestellt und empfunden werden. Die Jury würdigt das Engagement von Karnik Gregorian und sieht in der geplanten Recherche DIASPORA ≠ DAS ZERSTREUEN großes Potential für den Aufbau von nachhaltigen Verbindungen.
Andrea Huber
Das Projekt „Ami & Malick – Künstlerisches Forschen und Lernen in und von Mali“ von Andrea Huber überzeugt durch seinen innovativen interkulturellen Ansatz und die klare künstlerische Haltung. Das Vorhaben verbindet künstlerische Feldforschung mit einem reflektierten Blick auf Wissensweitergabe, kollektive Arbeitsformen und gesellschaftliche Verantwortung zeitgenössischer Künstler:innen in Mali.
Die Jury würdigt den respektvollen Austausch auf Augenhöhe mit lokalen Akteur:innen wie Yamarou Photo, Sanou’Arts und Ami Yerewolo, der neue Perspektiven auf künstlerisches Schaffen im postkolonialen Kontext eröffnet. Besonders relevant ist die Einbindung queerer und kollektiver Positionen, die Fragen nach Gemeinschaft, Nachhaltigkeit und kultureller Selbstermächtigung künstlerisch verhandeln.
Mit seiner offenen, experimentellen und forschenden Arbeitsweise trägt das Projekt wesentlich zur internationalen Vernetzung zwischen Bamako und München bei und setzt einen wichtigen Impuls für eine global und divers gedachte Kunstpraxis.
Alexandra Martini
Der Antrag der Bewerberin überzeugt durch eine fundierte und zugleich originelle Auseinandersetzung mit Humor als widerständiger Praxis. In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Frage, wie Komik und Satire als künstlerische Mittel des Dialogs, der Selbstermächtigung und der politischen Reflexion wirken können.
Besonders hervorzuheben ist der feministische Fokus der Arbeit: Sie stärkt weibliche und FLINTA*-Perspektiven in der Comedy-Szene, die nach wie vor von strukturellen Ungleichheiten geprägt ist. Damit fördert das Vorhaben nicht nur künstlerische Vielfalt, sondern trägt wesentlich zur Sichtbarkeit und Vernetzung marginalisierter Stimmen bei.
Durch den geplanten internationalen Austausch mit Künstler*innen aus den USA wird das Projekt zusätzlich bereichert. Der interkulturelle Dialog eröffnet neue Impulse für die lokale Szene und positioniert München als Ort, an dem Humor als gesellschaftlich relevante Kunstform ernst genommen und weiterentwickelt wird.
Insgesamt bietet das Vorhaben einen klaren Mehrwert für Münchens kulturelle Landschaft – inhaltlich tiefgehend, künstlerisch überzeugend und gesellschaftlich hochaktuell.
Anna McCarthy
Anna McCarthy ist eine wichtige Akteurin der Münchner Szene. Mit ihren Projekten fordert sie immer wieder sich selbst und ihr Publikum heraus. Sie erschafft Zeichnungen, Skulpturen, Installationen - aber auch Musik und Performances. Zuletzt hat sie mit ihrer Band What Are People For? viel (internationale) Resonanz erzeugt, ihr Stück The Hills Have Crazy Eyes im Schauspielhaus der Kammerspiele München uraufgeführt und im Rahmen einer Residency bei der Fonderia Artistica Battaglia in Mailand ihre Bronze Melt (dancer) erschaffen. Sie überschreitet Grenzen von Genre, Disziplinen und die der Hoch- und Subkultur und erschafft damit neue Erzählweisen und Wirkungsfelder.
Mit ihrem neuen Projekt Butterfly News vertieft sie ihre Verbindungen nach New York und beschäftigt sich mit dem politischen Klima in Deutschland und den USA und den Konsequenzen für die jeweiligen (queeren) Szenen in Kunst- und Nachtleben. McCarthy beschreibt gerade „analoge“ Räume als safer spaces, die Möglichkeit zu Vernetzung uns Austausch bieten. Das künstlerische Erproben dieser Räume erscheint der Jury gegenwärtig durchaus wichtig und auch in Verbindung mit McCarthys zurückliegendem Schaffen sehr fruchtbar.
Serhat Parhat
Das Recherchevorhaben „Back to the Roots – Breaking trifft Capoeira“ überzeugt durch einen stark verankerten biografischen Zugang, ein internationales Netzwerk und einen sensiblen, dialogischen Ansatz. Im Zentrum steht nicht die Reproduktion bestehender Formate, sondern eine offene, forschende Haltung: Der Austausch zwischen der urbanen Tanzkultur Breaking und der afrobrasilianischen Bewegungstradition Capoeira wird als künstlerisch-pädagogisches Feld für gemeinsames Lernen, Perspektivwechsel und nachhaltige Kooperation untersucht.
Besonders hervorzuheben ist die reflektierte Verbindung von persönlicher Erfahrung, künstlerischer Praxis und sozialem Engagement. Das Projekt zielt nicht auf kurzfristige Effekte, sondern auf den Aufbau nachhaltiger, internationaler
Beziehungen im Bereich der kulturellen Bildung – mit Blick auf zukünftige, lokal wie global relevante Formate.
Die geplante dokumentarische Begleitung erweitert die Recherche um eine visuelle Ebene, die nicht nur Prozesse festhält, sondern den kulturellen Kontext respektvoll sichtbar macht. Durch eine abschließende Präsentation in München können die gewonnenen Erkenntnisse in die lokale Szene zurückgespiegelt werden und zur Auseinandersetzung mit Fragen von Herkunft, Teilhabe und urbaner Kulturarbeit anregen.
Das Vorhaben stärkt München als Ort transkultureller Praxis, in dem urbane Kunstformen als gleichwertige, gesellschaftlich relevante Ausdrucksformen ernst genommen werden.
Alexandra Weigand
Das Rechercheprojekt von Alexandra Weigand überzeugt durch einen innovativen transdisziplinären Ansatz, der künstlerische, gestalterische und wissenschaftliche Perspektiven miteinander verknüpft. Im Zentrum steht eine ebenso fundierte wie visionäre Auseinandersetzung mit lokalen Wissenssystemen zu Heilpflanzen und textilen Kulturtechniken in südamerikanischen Ländern. Dabei geht es nicht um ein rein dokumentarisches Interesse, sondern um einen gleichberechtigten interkulturellen Dialog, der auf Austausch, gemeinsamer Wissensproduktion und kultureller Nachhaltigkeit basiert.
Besonders hervorzuheben ist die konsequente Weiterentwicklung bereits realisierter Projekte in Afrika, Europa und Asien. Das Vorhaben setzt damit auf ein belastbares Netzwerk und auf langjährige Erfahrung in der internationalen Zusammenarbeit. Der geplante Fokus auf Mensch-Pflanze-Kooperationen sowie auf textile Praktiken im Kontext ökologischer und kultureller Nachhaltigkeit ist hochaktuell – auch vor dem Hintergrund globaler Krisen und der Suche nach zukunftsfähigen kulturellen Praktiken.
Für den Kulturstandort München birgt das Projekt wichtige Impulse: Es stärkt das Profil der Stadt als Ort internationaler, interdisziplinärer Forschung und verbindet lokale Initiativen mit globalen Netzwerken. Durch den partizipativen und
vernetzenden Charakter entsteht ein nachhaltiger Mehrwert, der weit über die Projektdauer hinaus wirken kann.
- 2024
Sisilia Akello-Okello, Suzan Çakar, Francesco Giordano, Isabella Haidle (Ella von der Haide), Cornelia Pazmandi (Tiger Tiger), Veronika Schneider, Theresa Seraphin, Ellen Steinmüller, Jan Struckmeier, Husain Zangana - 2022
Theresa Bittermann (Bi Män), Sandra Babli Chatterjee, Hamado Dipama, Christiane Huber, Ian Paul Jakab, Mirca Lotz, Keith King Mpunga (Keith Zenga King), Denijen Pauljević (Denijen), Elena Raquel Schmitthenner (Taiga Trece), Karim Shalaby
Weitere Fördermöglichkeiten
- Projektförderung Interkulturelles
- Projektförderung Internationales
- Projektförderung Feminismus/LGBTIQ*
- Projektförderung Urban Art