Wissenwertes über LGBTIQ*

Wissen statt Vorurteile: Auf diesen Seiten finden sich die wichtigsten Informationen zu Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter*.

"Diskriminierung beginnt im Kopf" ...

Deckblatt Broschüre

...  unter diesem Titel stand eine Kampagne der Koordinierungsstelle, die der Antidiskriminierung von Lesben, Schwulen und Transgender diente.
Wissen statt Vorurteile: Auf diesen Seiten finden sich die wichtigsten Informationen zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen.

 

Menschen neigen dazu, von Bildern, die sie sich über die Welt gemacht haben, nur recht ungern wieder abzurücken. Was sich einmal in das Denken und Empfinden eingebrannt hat, bestimmt die weitere Wahrnehmung und damit auch Einstellungen und Verhalten.

Über Lesben und Schwule gibt es viele Vorstellungen – manche davon schon seit Jahrhunderten und viele davon sind nicht sehr freundlich.
Und obwohl sich die deutsche Gesellschaft in weiten Bereichen verändert, geöffnet und modernisiert hat, finden sich diese alten (und meist falschen) Bilder doch in vielen Köpfen wieder. Oftmals versteckt unter einer mehr oder weniger dicken Schicht von Toleranz, den Betroffenen manchmal selber gar nicht so recht bewusst – aber doch die eigene Haltung und das Verhalten prägend.

LGBTIQ*-Feindlichkeit ist wie Fremdenfeindlichkeit auch ein Phänomen, das viel mit Vorurteilen und falschen Bildern zu tun hat, mit unreflektierten Ängsten aber auch mit bewusster und gezielter Ablehnung aus politischen oder religiösen Gründen.

Wir möchten deshalb auf den folgenden Seiten über gleichgeschlechtliche Lebensweisen informieren, ein realistisches Bild aufbauen und Gelegenheit geben, eigene Einstellungen und Haltungen reflektieren zu können.
 

Wissenswertes über Lesben, Schwule und Bisexuelle

Eine der häufigsten Fragen zum Thema Homosexualität ist, wie viele Lesben und Schwule es denn gibt. Erhebungen hierzu sind jedoch sehr schwierig durchzuführen, da viele Lesben und Schwule ihre Identität aus verschiedenen Gründen nicht offen legen.
In den bestehenden sozialwissenschaftlichen Studien wurden daher unterschiedliche Ergebnisse gewonnen. Zusammenfassend kann man davon ausgehen, dass 5 – 7 % aller Menschen ausschließlich homosexuell leben. Hinzu kommen jene Menschen, die bisexuell empfinden, sich aber hauptsächlich dem eigenen Geschlecht zuwenden.
Gelegentliche gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte erleben viele Menschen im Laufe ihres Lebens, ohne dass sie sich dabei als homosexuell bezeichnen würden.

Das Bestehen von gleichgeschlechtlicher Liebe kann für alle Zeitalter und Kulturen nachgewiesen werden, die Sichtbarkeit von Lesben und Schwulen und damit der wahrnehmbare Anteil an der Gesamtbevölkerung schwankte in den Epochen mit dem sich wandelnden Ausmaß an Diskriminierung.
Die öffentliche Wahrnehmung von Homosexualität unterliegt sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen. Die Bandbreite geht dabei von völliger Unsichtbarkeit aufgrund von Tabuisierung und Verfolgung bis hin zu einer relativ guten Wahrnehmbarkeit aufgrund liberalerer Haltungen.

Kleines Lexikon der Begriffe

Die Symbole

In der Öffentlichkeit sind viele unterschiedliche Begriffe zur Bezeichnung von lesbischen Frauen und schwulen Männern bekannt. Die heute geläufigsten Wörter sind „Lesbe“ und „Schwuler“.
Diese Begriffe waren ursprünglich sehr abwertend besetzt und wurden als Schimpfwörter benutzt. Im Zuge der lesbisch-schwulen Emanzipationsbewegung wurde es für die Betroffenen jedoch zunehmend wichtig, für sich selbst Bezeichnungen zu finden, um die eigene Identität benennen zu können. So wurden obige Bezeichnungen positiv umbesetzt und als Selbstbezeichnung in Anspruch genommen.
Benennen zu können, was man ist, wirkt identitätsstärkend und fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Gruppe (z.B. auch in der Bürgerrechtsbewegung afroamerikanischer Menschen: „Black is beautiful“).

Die positive Umbesetzung der ehemals negativ gebrauchten Worte durch Lesben und Schwule selbst drückte ein neues Selbstbewusstsein aus, welches es ermöglichte, öffentlicher über die eigene Lebensweise sprechen und sich als zusammengehörige Gruppe empfinden zu können. Sie ist auch Ausdruck für die Entstehung einer Kultur lesbischer und schwuler Lebensweisen.
Die damit verbundene Formulierung von Stolz auf die eigene Identität zeigt sich auch in dem Begriff „Gay Pride“, der häufig bei der öffentlichen Präsentation von lesbischen und schwulen Lebensweisen verwendet wird.

Neuere – aus dem Englischen stammende - Begriffe sind „gay“, der für Schwule verwendet wird und „queer“, der ebenfalls von einer stigmatisierenden Bedeutung zu einem positiv interpretierten und politisch-emanzipatorischen Oberbegriff für alle Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender wurde und gerade die Vielfältigkeit der Lebensweisen betont und vereint.

Frühere Bezeichnungen wie zum Beispiel „Lesbierin“ oder „Homo“ werden heute von vielen Betroffenen als veraltet und unangenehm empfunden.
Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl von Begriffen, die Teilgruppen in der schwullesbischen Communtiy bezeichnen, wie z.B. „Tunte“ für eher feminin wirkende Männer, „Butch“ für eher maskulin wirkende Lesben. Sie werden zum Teil untereinander meist mit freundlicher Bedeutung benutzt, haben aber in der Verwendung durch Außenstehende oft abwertenden Charakter.

Worte wie „Kampflesbe“ oder „Schwuchtel“ sind meist als Beschimpfung gedacht und werden von Lesben und Schwulen als beleidigend empfunden.
Aber auch die gängigen Begriffe werden heute noch zum Teil abwertend benutzt und gerade in der Jugendsprache nimmt „schwul“ einen der ersten Plätze unter den Schimpfwörtern ein.

Der Oberbegriff „Homosexuelle“, wird nicht von allen Lesben und Schwulen gerne als Selbstbezeichnung benutzt, da er zu sehr eine rein sexuelle Ausrichtung betont und weniger die Lebensweise an sich beschreibt. Er wird eher dann benutzt, wenn in offiziellen Schriftstücken alle Menschen mit gleichgeschlechtlicher Identität gemeint sind und ist an sich nicht wertend.
Heute sind die Bezeichnungen „Lesbe“ und „Schwuler“ allgemein etabliert und werden von den meisten bevorzugt.

Häufig wird die Frage nach den Ursachen von Homosexualität gestellt. Hierüber gibt es jedoch keine gesicherten Erkenntnisse. Die Forschungen legen aber nahe, dass der Prozess dieser Identitätsbildung bereits im frühen Kindesalter abgeschlossen und somit später nicht mehr veränderbar ist. Das heißt, dass niemand zur Homosexualität erzogen, verführt oder beeinflusst werden kann und auch niemand von einer lesbischen oder schwulen Identität zu einer heterosexuellen umerzogen oder „geheilt“ werden kann. Für eine gesunde psychische Entwicklung und Selbstverwirklichung im Leben ist es vielmehr notwendig, sich mit der eigenen sexuellen Identität positiv identifizieren zu können.

Ursachenforschung

Seit über hundert Jahren wird geforscht, wie Homosexualität entsteht. Ursprünglich wurden vor allem defizitäre soziale Ursachen angenommen, wie zum Beispiel die Verführung zur Homosexualität oder gestörte Vater- oder Mutterbeziehungen. Auch biologische Ursachen wie der Körperbau, hormonelle „Störungen“ oder ein spezielles Gen wurden in Betracht gezogen. Vor allem diese älteren Forschungen orientierten sich ausschließlich an einem Krankheitsverständnis und hatten den Zweck, lesbische und schwule Menschen zu „heilen“ und wieder „normal“ zu machen. Viele Lesben und Schwule mussten unter den Folgen dieser Haltungen und ihrer Auswüchse ein Leben lang leiden. Sie wurden psychiatrisiert, kriminalisiert und durch „Heilungsversuche“ wie zum Beispiel die Elektroschocktherapie traumatisiert.

Selbst neuere Forschungen können keine eindeutigen Ursachen für Homosexualität beschreiben.

Lesben und Schwule betrachten die Ursachenforschung aufgrund dieser negativen Geschichte meist sehr kritisch. So ruft beispielsweise die Aussage, es gäbe ein spezielles Gen für Homosexualität (1993 veröffentlicht, jedoch nicht bewiesen), die Frage hervor, welche Folgen eine solche Erkenntnis nach sich ziehen würde. Es wird eine ähnliche Diskussion befürchtet wie bei der Frage, wie mit ungeborenen schwerstbehinderten Kindern umgegangen werden soll.

Die Untersuchungen zur Entstehung implizieren, Homosexualität sei etwas „falsches“, denn nach den Ursachen von Heterosexualität wird explizit nicht geforscht. Dadurch wird ein defizitäres Bild von lesbischen und schwulen Lebensweisen gefördert.
Lesbische und schwule Menschen wollen nicht erforscht, sondern in ihrer Identität akzeptiert werden. Sie wollen weder „geheilt“ noch umerzogen werden, sondern die Möglichkeit haben, ihre Lebensform gleichberechtigt zu leben.

Sexuelle Identität

Der Begriff „sexuelle Identität“ beschreibt, zu welchem Geschlecht sich ein Mensch hingezogen fühlt. Es handelt sich dabei nicht um eine ausschließlich sexuelle Ausrichtung sondern immer auch um eine emotionale und soziale Bezogenheit auf ein bestimmtes Geschlecht, also eine die gesamte Persönlichkeit und Lebensweise betreffende Ausrichtung.

Der oftmals alternativ benutzte Begriff „sexuelle Orientierung“ ist missverständlich, da er eine Wahlmöglichkeit suggeriert, die in Wirklichkeit nicht besteht. Daher findet in der moderneren Fachliteratur und in Gesetzestexten immer mehr der Begriff „sexuelle Identität“ Verwendung.

Die sexuelle Identität eines Menschen kann sehr eindeutig und ausschließlich heterosexuell oder homosexuell sein. Fühlt sich ein Mensch zu beiden Geschlechtern gleich oder unterschiedlich stark hingezogen, spricht man von Bisexualität.

Geschlechtsidentität wird als komplexe Struktur verstanden, die sich aus mehreren Teilen zusammensetzt:

  • Die Kern-Geschlechtsidentität ist das individuelle Erleben, einem bestimmten Geschlecht anzugehören, also Mann oder Frau zu sein, und ist mit Ende des zweiten Lebensjahres fest etabliert.
  • Die Geschlechtsrollenidentität beinhaltet Rollenverhalten und Rollenerwartungen, die vor allem durch Erziehung und Umwelt erworben werden (wie habe ich mich als Mann / als Frau zu verhalten, was wird von mir als Mann / als Frau erwartet).
  • Der Begriff der Geschlechtspartner-Ausrichtung bzw. der sexuellen Identität bezieht sich auf das Geschlecht, zu dem sich ein Mensch sexuell und emotional hingezogen fühlt. Die sexuelle Identität wird nach neueren humanwissenschaftlichen Erkenntnissen als Kontinuum zwischen ausschließlich homosexueller und ausschließlich heterosexueller Ausrichtung verstanden. Menschen, die sich in ihrer Partnerwahl ganz auf das gleiche Geschlecht beziehen sind lesbisch bzw. schwul.

Die Entwicklung der sexuellen Identität ist bereits im frühen Kindesalter abgeschlossen und damit schon sehr früh im Leben eines Menschen festgelegt.

Wodurch die Bildung sexueller Identität beeinflusst wird, ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Zwar gibt es eine ganze Reihe an Untersuchungen, die sich mit möglichen Ursachen beschäftigt haben, sichere Ergebnisse konnten jedoch nicht gewonnen werden. Es wird heute davon ausgegangen, dass viele unterschiedliche Faktoren die Entwicklung der sexuellen Identität beeinflussen.

Eine der bekanntesten Studien hierzu ist die des amerikanischen Kinsey-Institutes, das folgende Ergebnisse vorstellte:

  • Sicher ist, dass sexuelle Identität ohne Zutun der Betroffenen entsteht, das heißt, kein Mensch hat einen Einfluss darauf, ob er oder sie heterosexuell, bisexuell oder homosexuell ist. Somit sind alle Vorstellungen hinfällig, jemand könnte zur Homosexualität „verführt“ oder beeinflusst werden – ebenso die Vorstellung, jemand könnte zur Heterosexualität umerzogen werden.
  • Der Einfluss der Erziehung auf die Entwicklung der sexuellen Identität konnte ebenso nicht nachgewiesen werden, sehr wohl aber der Einfluss darauf, wie ein Mensch später in der Lage ist, mit der eigenen Identität umzugehen und für sich Selbstbewusstsein und Wohlbefinden zu entwickeln. Gerade von betroffenen Eltern wird dies oft als sehr entlastend erlebt, da sich damit die oft gestellte „Schuldfrage“ erledigt hat.
  • Sexuelle Erlebnisse in Kindheit und Jugend sind noch kein Indiz für die sexuelle Identität eines Menschen. Sexuelle Kontakte in der Jugend können nicht als Hinweis auf eine feststehende Ausrichtung gesehen werden, da viele Menschen im Laufe ihres Lebens und besonders in der Jugend sexuelle Kontakte unterschiedlicher Art haben.
  • Hinweise, zu welchem Geschlecht sich ein Mensch mehr hingezogen fühlt, geben vielmehr subjektive Empfindungen und Sehnsüchte. Es kann durchaus sein, dass jemand im Jugendalter heterosexuelle Beziehungen hat und dann später erst die sexuelle Ausrichtung zum eigenen Geschlecht feststellt oder zulassen kann.

(A.P. Bell u.a. „Der Kinsey Institut Report über sexuelle Orientierung und Partnerwahl“, München 1980)

Von Medizin und Psychologie wurde Homosexualität lange Zeit als Krankheit beziehungsweise als Störung der sexuellen Identitätsentwicklung definiert. Sie war im Schlüsselverzeichnis für Krankheitsdiagnosen der Weltgesundheitsorganisation (ICD-Liste) aufgeführt und wurde erst mit in Kraft treten der ICD-10 Liste von 1993 nicht mehr als Krankheit klassifiziert. Die Annahme, dass es sich bei Homosexualität um eine Störung handelt, wurde widerlegt und es wurde anerkannt, dass es sich um eine ebenso mögliche wie gleichwertige Ausprägung der sexuellen Identität handelt.

Die sexuelle Identität ist ein wesentlicher Persönlichkeitsbereich des Menschen. Ihre Bedeutung beschränkt sich nicht auf Fragen wie Partnerwahl, Sexualpraktiken oder biologische Prozesse.
Vielmehr spielt die Geschlechtspartner-Ausrichtung in vielen sozialen (Alltags-)Situationen des Menschen eine oft nicht bewusst wahrgenommene oder tabuisierte Rolle.
Kontaktverhalten und Kommunikation zwischen Menschen (auch in scheinbar völlig nichtsexuellen Zusammenhängen), Werbung, Kunst und Medien sind von Erotik und Sexualität beeinflusst oder nutzen sie, um Menschen anzusprechen. In der Regel wird diese Rolle von Sexualität im Alltagsleben nicht wahrgenommen, solange kein Tabubruch damit verbunden ist, sie ist in die menschliche Alltagswahrnehmung integriert – und fast ausschließlich auf Heterosexualität ausgerichtet. Da Lesben und Schwule nicht der in der Bevölkerung verbreiteten Grundannahme entsprechen, alle Menschen seien heterosexuell, fühlen sie sich häufig nicht gesehen oder mit falschen Zuweisungen belegt, die korrigiert werden müssen.

 

Der Begriff „Coming Out“ bezeichnet den oftmals schwierigen Weg der Identitätsfindung als lesbische Frau oder als schwuler Mann. Heterosexuelle Menschen kennen diesen Prozess nicht, da ihre sexuelle Identität keiner gesellschaftlichen Abwertung unterliegt.
Ein gelingendes Coming Out verläuft in mehreren Phasen, von Unsicherheit und Selbstablehnung bis hin zu einer selbst akzeptierenden Haltung. Viele innere und äußere Entwicklungen sind notwendig, um schließlich ein selbstbewusstes und glückliches Leben mit der gleichgeschlechtlichen Identität führen zu können (Phasenmodell nach Birgitt Palzkill).

Die Phasen des Coming Out

Der englischsprachige Begriff Coming Out bedeutet übersetzt soviel wie „herauskommen“. Er bezeichnet den Prozess vom ersten Erahnen eines Andersseins bis hin zum bewussten Identifizieren mit einer schwulen oder lesbischen Identität. Dieser Prozess der Identitätsfindung verläuft in mehreren Phasen, die alle Betroffenen mehr oder weniger intensiv durchlaufen. Die Ausformungen dieses Prozesses können individuell sehr unterschiedlich sein, von einem sehr angstgeprägten Vorgehen bis hin zu einem offensiven oder demonstrativen Auftreten, von einem schnellen Durchlaufen aller Phasen bis hin zu jahrzehntelangem Verharren in einer Phase.

  • Prä-Coming-Out-Phase:
    Viele Betroffene berichten, schon sehr früh im Kindesalter eine Ahnung davon verspürt zu haben, „anders“ zu sein. Was dieses Anderssein genau ausmacht, kann in der Regel zu diesem Zeitpunkt noch nicht in konkretere Vorstellungen übergeleitet oder begrifflich benannt werden. Daher erfassen Kinder, die diese Ahnung verspüren, intuitiv, dass sie diese Gefühle Anderen nicht mitteilen können, auch nicht den Eltern. Die Folge davon können subtile Angst- und Schuldgefühle sein sowie das Gefühl, „falsch“ zu sein, ohne einen Grund dafür benennen zu können. Es wird unbewusst wahrgenommen, dass die gesamte Umwelt heterosexuell ausgerichtet ist, Homosexualität nicht vorkommt bzw. abgewertet wird und dies etwas mit dem eigenen Gefühl des Anderssein zu tun haben könnte.
    Diese Phase liegt vor dem eigentlichen Beginn des Coming Out und wird als Prä-Coming-Out-Phase bezeichnet. Da sie meist früh im Leben zu wirken beginnt, kann sie sehr lange andauern, bis eine erste Konkretisierung der diffusen Gefühle eintritt und der Prozess der Identitätssuche bewusster beginnt. Diese Suche startet oft zum Zeitpunkt der Pubertät, in der Jugendliche beginnen, sich für mögliche Liebespartnerinnen oder -partner zu interessieren.
  • Phase des inneren Coming Out
    Der Beginn des inneren Coming Out zeichnet sich durch die bewusstere Wahrnehmung der eigenen Sehnsüchte und Gefühle aus. Die Betroffenen spüren, dass sie sich eher zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen und nehmen gleichzeitig wahr, dass sie sich dadurch von den Anderen unterscheiden. Zusätzlich sind zu diesem Zeitpunkt bereits Negativbilder von Schwulen und Lesben, die innerhalb der Gesellschaft vorhanden sind, bekannt. Zum Teil sind diese Vorurteile auch verinnerlicht, das heißt, sie werden nicht in Frage gestellt und die Betroffenen glauben selbst daran (internalisierte Homophobie). Eine Beziehung zwischen diesen Negativvorstellungen über Homosexuelle und den eigenen Gefühlen wird hergestellt und bewirkt zentrale Ängste. Viele Lesben und Schwule erleben ihr Anderssein in dieser Phase als bedrohlich und in der Gesellschaft unerwünscht. Sie fürchten, aus ihrem Umfeld ausgeschlossen zu werden, haben Angst vor Diskriminierung und vor einem Leben ohne soziale Anerkennung. Zudem verfügen sie meist über wenig positive Informationen zu schwulen oder lesbischen Lebensentwürfen und haben kaum Vorbilder.
  • Stigmavermeidung
    Oft folgt dann eine Phase der Stigmavermeidung. Die verschiedenen, meist negativen Bilder von Homosexualität, die fast allen Menschen bekannt sind, machen es nicht leicht, sich selbst als lesbisch oder schwul anzuerkennen. Wenn die eigenen Sehnsüchte und Bedürfnisse nun immer klarer werden, versuchen viele Betroffene, diese zu verdrängen. Zum Teil geht dies so weit, dass sie versuchen, heterosexuell zu „werden“, indem sie Beziehungen zum anderen Geschlecht eingehen und die homosexuellen Wünsche unterdrücken. Die Angst, abgelehnt zu werden, wenn andere von den homosexuellen Wünschen erfahren, kann zu einem erschütterten Selbstwertgefühl und zu Depressionen führen. Sozialer Rückzug, Flucht in Phantasiewelten oder Alkohol- und Drogenkonsum können eine Folge des Verheimlichungs- und Verdrängungsdrucks sein.
    Gerade bei Jugendlichen ist in dieser Phase das Suizidrisiko deutlich erhöht, Studien haben eine viermal höhere Selbstmordgefährdung als bei der heterosexuellen Vergleichsgruppe festgestellt.
    Ein Umfeld, das Vertrauen bietet und durch grundsätzlich tolerante Einstellungen gekennzeichnet ist, kann für die Betroffenen sehr hilfreich sein.
  • Phase der Selbstannahme
    Auf die Dauer setzen sich die inneren Wünsche mehr und mehr durch und ein Umdenken ist erforderlich, je klarer die eigene Homosexualität wird. Der steigende Leidensdruck und die immer stärker werdenden Wünsche führen dann zu einem Hinterfragen der bisher angenommenen Zerrbilder von Homosexualität und ein innerer Prozess der Selbstannahme beginnt. In dieser Zeit suchen die Betroffenen meist Informationen, positive Identifikationsmodelle und schließlich auch Begegnungen mit anderen Lesben und Schwulen.
    Dies ermöglicht, sich neu wahrzunehmen, eigene Vorstellungen an der Realität zu überprüfen und ein schwules oder lesbisches Leben konkreter in Erwägung ziehen und umsetzen zu können.
    In dieser Zeit ist Unterstützung von Außen besonders wertvoll: Informationen über gleichgeschlechtliche Lebensweisen und vertraute Menschen, die nicht abwerten, sondern die Suche nach der Identität wohlwollend begleiten, sind außerordentlich hilfreich. Auch Beratungsstellen, an die sich Lesben und Schwule mit ihren Fragen wenden können, bieten eine wichtige Unterstützung.
    Je mehr die innere Akzeptanz wächst, desto eher werden Versuche der Kontaktaufnahme mit anderen Lesben und Schwulen gewagt. Mit fortschreitender innerer Akzeptanz der eigenen Identität entstehen positive Gefühle von Befreiung und Erleichterung bis hin zu Euphorie, endlich zu sich selbst gefunden zu haben.
  • Phase des äußeren Coming Out
    Die letzte Phase des Coming Out beinhaltet die Konfrontation mit der heterosexuellen Umwelt. Es stellt sich für die Betroffenen die Frage, wem davon erzählt werden kann, wo die eigene Homosexualität bekannt sein darf. Neben dem inneren Prozess ist dann also ein äußeres Coming Out notwendig.
    Je erfolgreicher die inneren Prozesse durchlaufen wurden, desto leichter fällt die Auseinandersetzung mit der heterosexuellen Außenwelt. Freundliche Reaktionen von Anderen wiederum fördern die positive Bewältigung des Coming Out. Sich auch nach außen mit der eigenen Identität zeigen zu können und positive Rückmeldungen zu erhalten, wirkt sich stärkend auf eine positive Selbstwahrnehmung aus und ermöglicht eine umfassende gute Identifizierung mit dem eigenen Schwul- oder Lesbischsein.
    Diese soziale Dimension des Coming Out ist nicht auf eine bestimmte Zeit beschränkt sondern ist ein lebenslanger Prozess, da es im Leben von Lesben und Schwulen immer wieder Situationen gibt, in denen über Offenlegen oder Verschweigen der eigenen Lebensweise entschieden werden muss.

Die Suche nach der eigenen sexuellen Identität kann sehr unterschiedlich lange dauern und auch mit sehr unterschiedlichen Gefühlen verbunden sein. Für manche Menschen ist es leichter, sich und das eigene Anderssein zu akzeptieren, für andere ist es mit starken Ängsten verbunden.
Entscheidend für eine gelingende Identitätsfindung ist die Entwicklung von Bewältigungsstrategien und eine stabile psychische Grundverfassung, welche bereits durch ein entsprechendes Umfeld in der Kindheit gefördert wird.
Das Alter, in dem Menschen in eine bewusste Identitätssuche einsteigen und sich schließlich als schwul oder lesbisch annehmen können, ist ebenso unterschiedlich wie die Dauer, die sie für den Coming Out Prozess benötigen. Verschiedene Studien zeigen, dass zwischen der ersten bewussteren Wahrnehmung und der Gewissheit, lesbisch oder schwul zu sein, bei 41% der Betroffenen 1-2 Jahre, bei 26% immerhin 3-5 Jahre liegen.

Offen oder versteckt leben

Für Schwule und Lesben stellt sich immer wieder die Frage, wie offen sie ihre Lebensweise verwirklichen können und wo sie sie besser verbergen.
Offen aufzutreten ermöglicht, sich selbst als ganze und gesunde Persönlichkeit zu erleben und in sozialen Kontakten frei über das eigene Leben sprechen zu können. Dies wirkt sich positiv auf die Selbstwahrnehmung aus und unterstützt ein gesundes Selbstgefühl. Es erleichtert auch den Aufbau eines sozialen Umfeldes, in dem man als Lesbe oder Schwuler willkommen und akzeptiert ist.

Allerdings erfordert es auch Standfestigkeit und Selbstbewusstsein, mit den Reaktionen der Außenwelt gut umgehen zu können, da diese sehr unterschiedlich und nicht immer eindeutig vorhersehbar sind.
Lesben und Schwule, die offen auftreten, sehen sich nach wie vor oftmals Diskriminierungen ausgesetzt. Manchmal ist es sogar notwendig, sich nicht erkennen zu geben, um sich vor Gewalt oder negativen Folgen eines Coming Out z.B. am Arbeitsplatz zu schützen. Dies kann zu enormen Belastungen führen.

Lesben und Schwule, die versteckter leben, bleiben zwar von direkten Benachteiligungen eher verschont, leiden dafür aber unter einem enormen Geheimhaltungsdruck. Ein Teil der Persönlichkeit muss ständig abgespalten und kontrolliert werden, was zu einem zerstörerischen Prozess werden und in der Folge zu Depressionen und psychosomatischen Reaktionen führen kann. Den indirekten Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung (z.B. abwertende Witze usw.) kann aber auch durch ein verstecktes Leben nicht ausgewichen werden.

Outing

Unter „Outing“ versteht man im Gegensatz zum Coming Out ein unfreiwilliges Offenlegen der Lebensweise durch andere Personen. Geschieht dies durch Vertraute, die ihr Wissen ohne Einwilligung weitergeben, bedeutet dies für die geoutete Person einen enormen Vertrauensverlust und bringt sie unter Umständen in äußerst schwierige Situationen. Auch gutgemeinte „Hilfestellungen“ dürfen deswegen nicht ohne Einwilligung der Betroffenen gegeben werden.
Ein Outing in den Medien bezieht sich in der Regel auf prominente Persönlichkeiten, von denen die Allgemeinheit bisher nicht wusste, dass sie schwul oder lesbisch sind. Die Folgen einer unfreiwilligen Veröffentlichung können auch hier für die Betroffenen sehr schädigend sein. Bekannte Persönlichkeiten, die sich von sich aus öffentlich zu ihrer Homosexualität bekennen, können dagegen eine sehr positive Vorbildfunktion einnehmen.

Ausgrenzungs-, Benachteiligungs- und Gewalterlebnisse sind für Lesben und Schwule auch heute immer noch oft alltägliche Erfahrungen. Dabei gibt es vielfältige Formen von Homophobie, mit denen Lesben und Schwule konfrontiert werden. Von verbalen Abwertungen bis hin zum Erleben körperlicher Gewalt, von rechtlicher Benachteiligung bis zur sozialen Ausgrenzung.
Allerdings wird diese Tatsache gesellschaftlich mittlerweile weitgehend ausgeblendet, die Beschäftigung mit diesen Phänomenen löst Widerstand und Abwehr oder Unverständnis hervor. Die persönlichen Folgen für die Betroffenen können aber schwerwiegend und zerstörerisch sein.

Obwohl es unbestreitbar eine gesamtgesellschaftliche Veränderung zur Öffnung gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensweisen gibt, ist das Leben der Einzelnen immer noch häufig von Diskriminierung und Gewalt geprägt. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen einer jahrhundertelangen Verfolgungsgeschichte nicht in wenigen Jahrzehnten beseitigt werden können – weder bei den Betroffenen noch in den Köpfen der heterosexuellen Bevölkerung.

Im Vergleich der Altersstufen zeigte sich, dass diese Erfahrungen unter den Jüngeren nicht weniger häufig sind als bei den Älteren. Dies widerlegt die Annahme, dass sich die Lebenssituation von Lesben und Schwulen in Hinsicht auf Benachteiligung und Diskriminierung wesentlich verbessert hätte.
Diese Ergebnisse werden in ähnlichen Untersuchungen aus anderen Städten und Bundesländern bestätigt.

Auswirkung von Diskriminierung und Gewalt

Aufgrund der sexuellen Identität Diskriminierung, Stigmatisierung und Gewalt zu erleben, wirkt bei den Betroffenen auf sehr sensible Persönlichkeitsbereiche. Das Erleben einer immer wieder auftretenden Abwertung der eigenen Identität kann dazu führen, dass negative Bilder verinnerlicht werden und somit ein Prozess der Selbstabwertung in Gang gesetzt wird. Diese Selbstzweifel können zu ausgeprägten Schamgefühlen, Angst und sozialem Rückzug führen. Darin ist auch begründet, weshalb betroffene Lesben und Schwule sich gegen diskriminierende Verhaltensweisen oder Angriffe häufig nicht zur Wehr setzen.

Solche tief sitzenden Verunsicherungen können auch dazu führen, dass Betroffene auf die Inanspruchnahme von ganz alltäglichen Rechten und Leistungen verzichten, weil gerade während der Inanspruchnahme eine erneute Diskriminierung befürchtet wird.
So ist es für Viele nur schwer vorstellbar, sich an eine Führungskraft zu wenden und sich über Ausgrenzung im Betrieb zu beschweren, wenn diese Führungskraft in der Vergangenheit schwulen- oder lesbenfeindliche Witze gemacht hat oder in solchen Situationen herzhaft mitlachte.
Immer wieder berichten Betroffene, dass sie eher den Arbeitsplatz wechseln oder auf andere Weise versuchen, den belastenden Situationen zu entkommen.

Bei einer Befragung von Lesben und Schwulen in München zu ihrer Lebenssituation zeigte sich eine überaus hohe Betroffenheit durch Diskriminierung und Gewalt aufgrund der eigenen Homosexualität:

  • Mehr als 80% der befragten Lesben und Schwulen gaben an, über solche Erfahrungen zu verfügen.
  • Beschimpfungen und Verächtlichmachungen haben 61% der Schwulen und Lesben gleichermaßen erlebt.
  • Opfer körperlicher Gewalt sind 21% der Schwulen und 12% der Lesben geworden.
  • Psychischen Druck in Form von Einschüchterung, Bedrohung und Psychoterror haben 40% der Lesben und Schwulen erlebt.
  • Ablehnung durch die Familie haben 32% der Schwulen und 40% der Lesben erfahren.
  • Negative Erfahrungen im Freundeskreis machten 43% der Schwulen und 50% der Lesben.
  • Der Bereich der Arbeitswelt scheint besonders schwierig zu sein: 15% der Schwulen und 17% der Lesben haben aufgrund ihrer Homosexualität negative Erfahrungen mit Kollegen / Kolleginnen gemacht, jeweils ca. 21% erlebten dies im Kontakt mit dem Arbeitgeber. Nachteile bei der beruflichen Entwicklung (Beförderung usw.) erlebten 27% bzw. 31%.
  • Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebten 14% der Schwulen – eine Zahl, die angesichts der Tatsache, dass Männer normalerweise eher selten Opfer sexueller Belästigung sind, sehr hoch ist. Fast 21% der Lesben wurden sexuell belästigt, was bestätigt, dass Frauen immer noch verstärkt durch sexualisierte Gewalt verletzt werden.
  • 60% der Befragten haben Situationen erlebt, in denen sie große Angst hatten, als homosexuell erkannt zu werden.

(Studie: Landeshauptstadt München, „Unter`m Regenbogen – Lesben und Schwule in München“, München 2004)

Bereits die Angst vor negativen Konsequenzen kann schwerwiegende Folgen für das Verhalten in der Öffentlichkeit haben. Das individuelle Gefühl von Zugehörigkeit und Unversehrtheit wird beeinträchtigt. Viele Schwule und Lesben verzichten deswegen in vielfältigen Lebensbereichen auf eine freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ziehen sich in die Unsichtbarkeit zurück. In manchen Situationen ist es sogar unverzichtbar, sich zu schützen, um nicht Opfer von gewalttätigen Übergriffen zu werden. So wissen Lesben und Schwule meist sehr genau, in welchen Stadtvierteln sie niemals Hand in Hand gehen dürfen oder beobachten ihre Umgebung sehr genau, um schwierige Situationen zu vermeiden.

Oftmals erleben Lesben und Schwule, dass ihnen unvorsichtiges Verhalten vorgeworfen wird, wenn sie über Diskriminierungserlebnisse berichten. Sie werden häufig selbst für diese Erfahrungen verantwortlich gemacht, mit der Begründung, es wäre ja nicht passiert, hätten sie sich nicht zu erkennen gegeben. Damit wird den Betroffenen zumindest eine Teilschuld gegeben, die Ausübenden von Gewalt und Ausgrenzung werden damit automatisch entlastet. Dies stellt eine völlige Umkehrung der Schuldverhältnisse dar.

Gerade weil sie in sehr intime Persönlichkeitsbereiche wie die sexuelle Identität wirken, stellen Ausgrenzung und Gewalt enorme psychische Belastungen dar, für deren Verarbeitung Lesben und Schwule spezielle Bewältigungsstrategien entwickeln müssen. Eine Vorgehensweise ist die Vermeidung weiterer schwieriger Situationen, was allerdings zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führen kann, weil damit viele Einschränkungen verbunden sind. Die Lebenslagen- und Stressforschung hat aufgezeigt, dass es weitere Möglichkeiten gibt, soziale Diskriminierungserfahrungen auszugleichen. Die Einbindung in ein Netz von „Gleichen“, also von Menschen, die in ähnlichen Lebenszusammenhängen stehen, die Entwicklung von tragfähigen sozialen Beziehungen und damit die Stärkung von Selbstwertgefühlen sind solche Möglichkeiten.

Homophobie / Homosexuellenfeindlichkeit/LGBTIQ*-Feindlichkeit

Der Begriff „Phobie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet Angst. Homophobie bedeutet also soviel wie „Angst vor Homosexualität“. Bezeichnet werden damit aber vor allem Abwertungen, Aggressionen und Hassgefühle gegen Lesben und Schwule. Treffender wäre daher der Begriff der Homosexuellen- oder LGBTIQ*-Feindlichkeit (analog Fremdenfeindlichkeit). Für homophobe Einstellungen gibt es vielfältige Gründe:
Angst vor dem Fremden und dem, was nicht der allgemeinen Norm entspricht, kann eine Ursache für Diskriminierung und Gewalt gegen Schwule und Lesben sein. Homosexualität wird oft als Bedrohung der gesellschaftlichen Kern-Identität Heterosexualität empfunden und muss daher abgewehrt werden.
Auch eigene innere Anteile, eigene Gefühle von Hingezogen-Sein zum gleichen Geschlecht, die verdrängt und bekämpft werden, können Homophobie auslösen und damit zu einem Grund für Gewaltausübung gegen Lesben und Schwule werden. Weitere Ursachen sind häufig in weltanschaulichen und religiösen Haltungen oder auch in eigenen schwierigen Lebenslagen und damit verbundenen Selbstwertproblemen von homophoben Menschen zu finden.

Verinnerlichte Homophobie
Durch das Aufwachsen in einer auf heterosexuelle Lebenszusammenhänge konzentrierten Gesellschaft (Heterozentrismus) werden negative Bilder von Lesben und Schwulen sehr früh vermittelt. Fast alle Kinder und Jugendlichen haben eine Ahnung davon, dass es etwas Unerwünschtes ist, sich dem eigenen Geschlecht zuzuwenden. Die Vermittlung dieses Gefühls erfolgt oftmals nonverbal, durch das Fehlen von positiven Darstellungen schwullesbischen Lebens in der Öffentlichkeit und durch das Erleben homophober Situationen. Nicht „normal“ zu sein ist oft mit Sanktionen wie Ausschluss oder Lächerlichmachen belegt, was verstärkend auf vorhandene negative innere Bilder wirkt.

Diese Erfahrungen machen auch Kinder und Jugendliche, die später ein Coming Out als Lesben oder Schwule haben. Eine Folge davon kann sein, dass die Betroffenen selbst diese Zerrbilder über Lesben und Schwule verinnerlicht haben und Homosexualität mehr oder weniger stark ablehnen. Dies nennt man internalisierte oder verinnerlichte Homophobie.
Verinnerlichte Homophobie wirkt sich in Selbstabwertung oder in Abwertung von anderen Lesben und Schwulen aus. Sie kann dazu führen, dass die eigene sexuelle Identität nicht positiv angenommen werden kann und ein glückliches lesbisches oder schwules Leben verhindern. Es kann eine komplexe Gefühlslage von Scham, Angst, Selbstzweifel bis hin zu Selbstentwertung entstehen, die oftmals verhindert, dass sich Betroffene Hilfe und Unterstützung holen können.

Die Auseinandersetzung mit der eigenen internalisierten Homophobie ist ein anstrengender und oft jahrelang andauernder Prozess. Erschwert wird er, wenn die internalisierte Homophobie durch das Erleben erneuter Abwertungen wieder aufgefrischt wird.

Vorurteile und Klischees

In unserer Gesellschaft kursieren vielfältige Zuschreibungen und Vorurteile, die Schwule und Lesben mit negativen Eigenschaften belegen sowie mit pathologischen oder gar kriminellen Verhaltensweisen in Verbindung bringen. Oft sind diese Bilder bereits Kindern bekannt, unter Jugendlichen sind sie allgegenwärtig und selbst Menschen mit hohem Bildungsgrad glauben oft an klischeehafte Bilder von Lesben und Schwulen. Transportiert werden diese Zuschreibungen durch Witze, Schimpfwörter, Gerüchte sowie Veröffentlichungen in den Medien. Mit dem auf Schulhöfen meist gebrauchten Schimpfwort „schwul“ wird alles belegt, was nicht beliebt oder erwünscht ist. Gerade auch in den Medien werden immer noch häufig Stereotype von Lesben und Schwulen zur allgemeinen Belustigung verbreitet: die verbitterte hässliche Lesbe, die mordet oder besonders gemein ist; der geschmacklos gekleidete, feminin aussehende, nicht ernst zu nehmende Schwule, als Tunte dargestellt und ins Lächerliche gezogen.

Die hier aufgeführten Vorurteile werden immer wieder gegen Homosexuelle ins Feld geführt. Die Auswirkungen dieser völlig verfehlten Vorstellungen können für die Betroffenen fatal sein.
„Schwule verführen kleine Jungen“
Diese häufig zu findende Zuschreibung dient dazu, schwule Männer in die Nähe krimineller Praktiken zu rücken und der gesellschaftlichen Verachtung zu unterwerfen. Sie hat jedoch mit der Realität schwuler Liebe nichts zu tun. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen männlicher Homosexualität und Pädophilie. Schwule suchen sich, wie heterosexuelle Männer auch, gleichberechtigte Partner.
„Schwule bekommen alle Aids“
Zu Beginn der sog. „Aidskrise“ in den 80er Jahren wurde diese Infektionskrankheit zu massiven menschenverachtenden Kampagnen gegen Schwule genutzt, die sogar als „Seuchenschleudern“ bezeichnet wurden. HIV / Aids ist eine Infektionskrankheit und kann jeden Menschen - unabhängig von seiner sexuellen Identität - treffen.
„Lesben hassen Männer“
Ablehnende Haltungen Männern gegenüber sind kein Grund für eine lesbische Identitätsentwicklung, Lesben lieben Frauen und sind deswegen lesbisch. Einen Zusammenhang mit den Einstellungen gegenüber dem männlichen Geschlecht gibt es hier nicht. Diese Einstellungen sind bei Lesben so unterschiedlich wie es unterschiedliche Frauen gibt.
„Lesben brauchen nur mal einen richtigen Kerl“
Diese Zuschreibung entwertet lesbische Frauen, weil sie ihnen eine eigenständige und wertvolle Identität abschreibt. Gefährlich ist diese Zuschreibung deshalb, weil sie mitunter zur Rechtfertigung sexueller Belästigung oder Gewalt benutzt wird.
„Lesben sind hässlich“
Auch mit dieser bösartigen aber weit verbreiteten Zuschreibung soll begründet werden, dass lesbische Identität nur existiert, weil sich kein Mann für diese Frauen interessiert.
„Schwule sind keine richtigen Männer, Lesben sind keine richtigen Frauen“
Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit orientieren sich in der Regel an heterosexuellen Normierungen darüber, was richtig ist und was nicht. Tatsächlich jedoch ist Männlichkeit oder Weiblichkeit und das dazugehörige individuelle Empfinden abhängig von vielen individuellen Prozessen und der Entwicklung eigener Maßstäbe. Ein feststehendes „richtig männlich“ oder „richtig weiblich“ gibt es daher nicht.
Das Absprechen des „Richtigseins“ trifft Lesben und Schwule jedoch tatsächlich im Kern, da ihnen damit gleichzeitig Wertschätzung und Dazugehörigkeit abgesprochen wird.
„Schwuler Sex ist pervers, lesbischer Sex ist kein richtiger Sex“
Aussagen über sexuelle Verhaltensweisen werden dazu benutzt, schwule Männer und lesbische Frauen abzuwerten. Schwule und Lesben gestalten ihre Sexualität jedoch genauso vielfältig und unterschiedlich wie heterosexuelle Menschen auch.

Vorurteile lassen sich oft weniger durch Argumente als durch die Konfrontation mit der Realität abbauen, da das Wesen von Vorurteilen gerade die unsachliche Verzerrung der Realität ist. Verstärkte Informationen, die Aufklärung über gleichgeschlechtliche Lebensweisen und vor allem persönliche Begegnungen können dazu beitragen, dass Diskriminierung und Gewalt gegen Lesben und Schwule abnimmt.

Die rechtliche Situation

Lesben und Schwule sind gegen gewalttätige Übergriffe selbstverständlich ebenso wie alle anderen Menschen per Gesetz geschützt. Gewalttaten gegen Lesben und Schwule sind Straftaten.

Bei der Diskussion um ein Antidiskriminierungsgesetz zeigten sich jedoch auch deutliche Widerstände gegen den gesetzlichen Schutz bestimmter Bevölkerungsgruppen vor Benachteiligung. Die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes aus dem Grundgesetz ist in der Alltagsrealität oft nicht einfach. Auch mit der Einführung des neuen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sind Lesben und Schwule nur in bestimmten Situationen abgesichert. Ein Gesetz schützt grundsätzlich nicht davor, soziale Diskriminierung zu erfahren, ist jedoch unverzichtbar, um gleiche Rechte zumindest juristisch einfordern zu können.
Absurd ist jedoch z.B. die rechtliche Situation von Eingetragenen Lebenspartnerinnen und -partnern: Einerseits trägt das Gesetz zu einer Gleichstellung mit der Ehe bei, andererseits enthält es gleichzeitig massive Benachteiligungen wie z.B. bei den steuerlichen Regelungen oder der Hinterbliebenenversorgung.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Mit dem Inkrafttreten des AGG im August 2006 wurde ein Standard für die Beschreibung von Diskriminierung geschaffen. Ziel dieses Gesetzes ist, Benachteiligungen aufgrund bestimmter Merkmale zu verhindern oder zu beseitigen. Die explizite Benennung von sexueller Identität als Merkmal ist sehr bedeutend, denn dadurch gibt es erstmals eine klare rechtliche Grundlage, auf die sich Betroffene berufen können, wenn sie aufgrund ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden. Die Begriffsbestimmungen der Europäischen Union, die in das deutsche Gesetz zur Allgemeinen Gleichbehandlung aufgenommen wurden, geben deutliche Definitionen für verschiedene Formen von Diskriminierung. Sie unterscheiden zwischen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung, Belästigung sowie sexueller Belästigung.

Unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.

Mittelbare Benachteiligung ist gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen.

Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen die Würde der betreffenden Person verletzen oder wenn ein Klima von Einschüchterung, Anfeindungen, Erniedrigungen usw. geschaffen wird.

Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn durch ein unerwünschtes sexuelles Verhalten (Handlungen, Aufforderungen, Berührungen, Bemerkungen, pornografischer Darstellungen) die Würde der betroffenen Person verletzt wird.

ie Geschichte von Homosexualität ist seit Jahrhunderten von Tabuisierung und Verfolgung gekennzeichnet. Die Emanzipation von Lesben und Schwulen und deren zunehmende Sichtbarkeit ist ein relativ junges gesellschaftliches Phänomen. Neben dem Anliegen nach sozialer Anerkennung wurde die rechtliche Gleichstellung ein Hauptthema der politischen Lesben- und Schwulenbewegungen.
Parallel zur gesellschaftspolitisch-geschichtlichen Entwicklung gibt es auch innerhalb der lesbischen und schwulen Bewegung und Gemeinschaft sich verändernde Themen und Diskussionen. Auch die Formen der schwullesbischen Gemeinde haben sich im Lauf der Zeit verändert.

In Europa wurde Homosexualität mit der Ausbreitung des Christentums als Sünde definiert. Entsprechend wurde gleichgeschlechtliche Liebe tabuisiert und verfolgt. Sie war in allen europäischen Ländern geächtet oder strafrechtlich verboten. Eine erste Legalisierung gab es 1804 in Frankreich, als durch Napoleons neue Gesetzgebung gleichgeschlechtliche Liebe straffrei gestellt wurde. Für kurze Zeit (ca. 1806 – 1871) führte dies auch in Bayern zu einer Legalisierung. Lesbische Liebe unterlag dabei nie einer strafrechtlichen sondern vor allem der gesellschaftlichen Verfolgung – schlicht deshalb, weil sie in einer männlich dominierten Gesellschaft nie als eigenständige Sexualität wahrgenommen werden durfte.

In Deutschland begann eine bewusste öffentliche Benennung und Thematisierung von Homosexualität 1864 mit der Veröffentlichung von politisch-wissenschaftlichen Schriften durch den Juristen Karl Heinrich Ulrichs sowie durch die Gründung des „Wissenschaftlich-humanitären Komitees“ 1897 durch den Sexualforscher Magnus Hirschfeld.
Damit entstanden erste Emanzipationsversuche und Interessensverbände.

Lesbische Frauen waren stark in der so genannten „Ersten Frauenbewegung“ engagiert, die Anerkennung lesbischer Liebe als politisches Anliegen stand jedoch hinter allgemeinen Fraueninteressen wie dem Frauenwahlrecht zurück.

In den 1920er Jahren bildete sich eine erste Subkultur schwulen und lesbischen Lebens. Es entstanden Treffpunkte, Zeitschriften und politische Zusammenhänge, in denen Forderungen nach Gleichstellung und Anerkennung gestellt wurden. Berlin war eine Hochburg der Emanzipationsbewegung und der kulturellen Vielfalt. Zu dieser Zeit gab es eine größere Sichtbarkeit lesbischer Frauen und schwuler Männer als je zuvor in der Geschichte.

Mit dem Nationalsozialismus nahm die Unterdrückung lesbischer und schwuler Menschen massiv zu. Durch die verstärkte Verfolgung kam jegliche Emanzipationsbewegung zum Stillstand und die gesamte Subkultur wurde zerschlagen. Lesben und Schwule wurden verhaftet und in Konzentrationslagern inhaftiert, wo sie extremen Misshandlungen ausgesetzt waren. Viele überlebten die Internierung nicht.
Schwule Männer wurden mit einem rosa Dreieck gekennzeichnet, dem so genannten „Rosa Winkel“, der später zu einem Emanzipationssymbol umdefiniert wurde. Lesbische Frauen wurden mit dem „Schwarzen Winkel“ gekennzeichnet, der das Symbol für „Asozialität“ war. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied in der Verfolgung von Lesben und Schwulen: Schwule Männer wurden offiziell kriminalisiert, Lesben durch Nichtbenennung unsichtbar gemacht und über andere Zuschreibungen verfolgt. Erst im Jahr 2002 beschloss der Deutsche Bundestag, die Unrechtsurteile des Dritten Reiches gegen Homosexuelle aufzuheben.

Nach dem Ende der Nazidiktatur gab es dementsprechend keine schwullesbischen Gruppierungen mehr, alles musste von Neuem entstehen und aufgebaut werden. In den 1950er und 1960er Jahren waren homosexuelle Lebensweisen extrem tabuisiert und unsichtbar.
Der Verbotsparagraf für homosexuelle Liebe unter Männern (§ 175 StGB) blieb in der Fassung des Dritten Reiches unverändert bis 1969 bestehen, bevor er etwas abgemildert wurde. Dadurch und nicht zuletzt durch die Traumatisierung der Verfolgung dauerte es lange, bis sich wieder eine Emanzipationsbewegung bildete.

1969 fand in New York eine bahnbrechende Protestaktion statt: Erstmals setzten sich Schwule, Lesben und Transgender bei einer Polizeirazzia in einer Bar in der Christopher Street öffentlich zur Wehr. Dieses Ereignis begründete den erneuten Beginn einer Befreiungsbewegung, die sich auch nach Europa weiterverbreitete. Noch heute wird in vielen Städten der Christopher Street Day als Ausdruck der Forderungen nach Anerkennung und Gleichbehandlung gefeiert.

Durch die „Neue Frauenbewegung“ in den 1970er Jahren wurden auch Lesben sichtbarer. Viele engagierten sich dort für allgemeine Gleichstellungsbelange von Frauen. Lesbenrechte waren jedoch ein Randthema und mit der Zeit bildete sich eine separate Emanzipationsbewegung, die für die Sichtbarkeit von lesbischen Lebensweisen kämpfte. Auch Schwule schlossen sich in einer Emanzipationsbewegung zusammen. Trotz der Unterschiede zwischen Lesben und Schwulen und inhaltlicher Differenzen, was politische Ziele betraf, entstand langsam eine gemeinsame Bewegung. Mit der ersten Christopher Street Day-Demonstration 1978 in Berlin zeigte sich eine Homosexuellenbewegung, die politische Forderungen stellte und Selbstbewusstsein und Stolz propagierte.

Dennoch dauerte es lange, bis tatsächlich Gleichstellungsmaßnahmen auf rechtlicher Ebene folgten. Der Paragraf 175 StGB wurde erst 1994 per Bundestagsbeschluss endgültig gestrichen.
In Berlin wurde 1989 die erste Referatsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen eingerichtet, die auf gesellschaftspolitischer Ebene arbeitete. Es entstanden politische Interessensverbände und erste Politiker und Politikerinnen setzten sich offen für Lesben und Schwule ein. Allgemein nahm die Thematisierung lesbischer und schwuler Lebensweisen zu. Eine Vielzahl von Selbsthilfegruppen, Aktionsverbänden und auch psychosozialer Unterstützungsangeboten entstand, die die Emanzipation von Lesben und Schwulen weiter voran brachten.

Die Infektionskrankheit HIV / Aids führte in den 1980er Jahren zu massiven schwulenfeindlichen Entwicklungen in Deutschland. Es wurde heftigste Minderheitenhetze betrieben, die Rede war von „ausdünnen“, „in Lager sperren“ usw. Gerade der „Bayerische Maßnahmenkatalog“ gehörte zu den umstrittensten politischen Vorhaben dieser Zeit.
Dies führte zu einem bis heute spürbaren Rückschritt in den Emanzipationsentwicklungen und einer starken (Re-)Traumatisierung vieler schwuler Männer. Natürlich wirkte sich diese Entwicklung auch auf Lesben und Transgender aus. Hervorzuheben ist das immense Ausmaß an Solidarität, Verbundenheit und Menschlichkeit, mit dem sich die schwule Gemeinde, die Betroffenen und viele andere Menschen dieser Ausgrenzung entgegengestellt haben. Die Aidshilfen sind sichtbares Ergebnis dieses Engagements.

Am 01.08.2001 trat das „Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft“ (LpartG) in Kraft, das gleichgeschlechtlichen Paaren eine eheähnliche Legalisierung ihrer Beziehungen ermöglicht.
Das am 14.08.2006 verabschiedete „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“ (AGG) untersagt Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität.
Zum 01. Oktober 2017 hat der Deutsche Bundestag die Ehe für alle Paare unabhängig vom Geschlecht geöffnet. Damit sind gleichgeschlechtliche Paare weitgehend gleichgestellt.

Heute gibt es in vielen Städten vielfältige Angebote für Lesben und Schwule, die von psychosozialer Beratung über Interessenvertretungen bis hin zu einer bunten kulturellen Szene reichen. Politische und rechtliche Gleichstellung ist nach wie vor ein Anliegen von Lesben und Schwulen.

München als Großstadt war immer schon ein Schauplatz geschichtlicher und gesellschaftlicher Veränderungen. Einige Stationen waren:

1867: Auf dem deutschen Juristentag in München forderte Karl Heinrich Ulrichs die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen.
1902: das „Wissenschaftlich humanitäre Komitee München“ wurde als erste Homosexuellenvereinigung von Joseph Schedel gegründet.
1905 bis 1933: Bekannte Vertreterinnen der Ersten Frauenbewegung lebten und wirkten in München: z.B. Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann, die offen als lesbisches Paar auftraten.
1921 bis 1930: Gründung des „Münchner Freundschaftsbundes“ als schwul-lesbischer Verein; Ausprägung einer lebendigen Kulturszene lesbischer und schwuler Künstler; Eröffnung erster Lokale.
1933 bis 1945: Zerschlagung der Strukturen und Verfolgung schwuler Männer und lesbischer Frauen auch in München. 1950er und 60er Jahre: Durch Repression und Tabuisierung geprägt, trotzdem existierte eine Subkultur.
Ab 1971: Beginn erneuter emanzipatorischer Bestrebungen. Die „Homosexuelle Aktionsgruppe“ traf sich regelmäßig im Lokal „Deutsche Eiche“, der „Verein für sexuelle Gleichberechtigung“ wurde gegründet, ebenso wie 1973 das erste Frauenzentrum Münchens. Die „Schwule Teestube“ wurde 1974 am Glockenbach eröffnet und 1978 auch die „Frauenkneipe“ als Treffpunkt feministischer heterosexueller und lesbischer Frauen.
1980: In München wurde der erste Christopher Street Day gefeiert.
1986: Gründung der Vereine „SchwuKK e.V.“ (heute Sub e.V.) und „Lesbentelefon e.V.“ mit Begegnungs- und Beratungsangeboten für Lesben und Schwule.
1989: Gründung der „Rosa Liste“ als erste schwul-lesbische Wählervereinigung.
1990 – 1997: Gründung der „Lesbeninformation und –beratung“, Eröffnung der Räume des Sub e.V. als Treffpunkt für schwule Männer, in der Folge Gründung der Lesbenberatungsstelle LeTRa und der hauptamtlich arbeitenden Beratungsstelle für schwule Männer des Sub e.V., die beide heute ein Teil der städtischen Beratungsstellen-Struktur sind.
1996: ein Vertreter der Rosa Liste wird in den Münchner Stadtrat gewählt, damit ist europaweit erstmalig eine offen schwullesbische Wählerinitiative in einem Stadtparlament vertreten.
1999: Gründung des „Forum Homosexualität und Geschichte e.V.“
2002: Die „Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ (heute: Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ*) der Landeshauptstadt München wird etabliert; offen lesbisch lebende Stadträtinnen ziehen in den Stadtrat ein.
2008: Die Beratungs- und Vernetzungsstelle Rosa Alter wird eingerichtet.
2015/2016: Der Stadtrat beschließt die Einrichtung folgender Stellen:
- Fach- und Beratungsstelle, Treffpunkt für Regenbogenfamilien
- Trans*-Inter*-Beratungsstelle
- Aufklärungsprojekt München e.V. (Weiterfinanzierung)
- diversity München (Ausweitung)

Das „Forum Homosexualität München e.V. – Lesben und Schwule in Geschichte und Kultur“ hat zahlreiche Informationen zur lesbischen und schwulen Geschichte in München gesammelt und diese auch für die vorliegende Zeitübersicht zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank!

Wie in den vorhergehenden Kapiteln zu lesen ist, ist schwules und lesbisches Leben immer auch von gesellschaftlicher Ächtung und Ausgrenzung begleitet worden. Über lange Epochen hinweg war es unmöglich, offen risikolos als Schwuler oder als Lesbe aufzutreten. Treffpunkte gab es lange Zeit nur an möglichst versteckten, anonymen Orten, die schnelle Fluchtmöglichkeiten boten und sich der Überwachung durch (staatliche) Strafverfolgungsorgane möglichst entzogen. Selbst mehr oder weniger privat organisierte Treffpunkte in Wohnungen waren der Gefahr von Denunziation unterworfen und konnten jederzeit gesprengt werden.

Dies erzeugte bei Lesben und Schwulen natürlich viel Leid, da sie wie alle anderen Menschen auch ein großes Bedürfnis hatten, sich mit anderen Menschen zusammenzuschließen, die über ähnliche Lebenserfahrungen, Interessen, Partnerschaftswünsche usw. verfügen.

Dieses Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit und Gemeinschaft mit Gleichgesinnten teilen Lesben und Schwule mit allen anderen Bevölkerungsgruppen. Menschen schließen sich in Sportvereinen, in Frauen- oder Männergruppen, in Jugend- oder Seniorenangeboten, in Wohngemeinschaften und -vierteln, in politischen Verbänden oder Freizeitgruppen zusammen. Neben dem eigentlichen Zweck dieser Vereinigungen spielt häufig der Wunsch nach sozialem Kontakt und ggf. auch die Suche nach Partnerschaft eine wichtige Rolle.

In Unterscheidung zu vielen anderen Minderheiten wachsen Lesben und Schwule in der Regel nicht in sozialen Bezügen auf, in denen ihr Lesbisch- oder Schwulsein Wertschätzung erfährt. Während z.B. Kinder von Migranten in Migrationsfamilien und oft auch in Migrationsgemeinden leben, in denen sie explizit auch für den herkunftsbezogenen Teil ihrer Identität Anerkennung erfahren und dieser gefördert wird, erleben homosexuelle Menschen oftmals eher das Gegenteil. Auch dies fördert das Bedürfnis nach eigenen und sicheren sozialen Communities und Orten, an denen man ganz selbstverständlich sein kann, was man ist.

Für Lesben und Schwule gibt es noch einen weiteren wichtigen Grund, eine eigene soziale Community mit Gruppen, Einrichtungen, Gaststätten usw. zu bilden: das Erleben eines Schutzraumes, in dem die eigene Identität keiner Abwertung unterliegt, in dem emotionale, sexuelle und partnerbezogene Bedürfnisse gelebt werden können, ohne ständig Gefahr zu laufen, verhöhnt, beschimpft oder angegriffen zu werden.

Wie schwierig zu akzeptieren dies für viele Menschen offenbar ist, zeigt bis heute, dass die LGBTI*-Community gerade in den Medien, in Polizeiberichten usw. gerne als „Homosexuellen-Milieu“ bezeichnet wird. Damit ist eine eindeutige Abwertung verbunden, es wird ein nicht nur begrifflicher Zusammenhang mit „Rotlicht-Milieu“ hergestellt und ein Bild erzeugt, als wäre die schwullesbische Gemeinde etwas Anrüchiges.

In Wirklichkeit besteht die LGBTI*Community aus den verschiedensten Untergruppen und kulturellen, politischen, sozialen und freizeitorientierten Zusammenschlüssen. Gerade in den Großstädten haben sich umfangreiche Angebote und eine schwul-lesbische Öffentlichkeit etabliert, die heute meist mit dem Begriff „Community“ bezeichnet wird. Der Begriff der „Subkultur“ wird heute nur mehr selten verwendet, da er die Realität nicht zutreffend beschreibt.
Sich in dieser Community zu bewegen und an dieser Öffentlichkeit teilzunehmen ermöglicht es, sich als Gleich unter Gleichen zu erleben und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu genießen. Dies wirkt sehr entlastend und stärkend für die eigene Identität in einer Gesellschaft, in der Lesben,  Schwule, Bi, Trans* und Inter* sich in den meisten Situationen als Minderheit erleben. Nicht zutreffend ist hingegen das gerne geäußerte Vorurteil, die LGBTI*-Community sei eine Art „Ghettobildung“, die Integration und Verständnis verhindere. Die meisten Angebote von und für Lesben und Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter sind auch für alle anderen Menschen offen. LGBTI*-Menschen bewegen sich in der Regel sehr viel häufiger in nicht-LGBTI* Räumen (z.B. Gaststätten, Kneipen, Arbeitswelt usw.) als dies umgekehrt heterosexuelle Menschen in LGBTI* Zusammenhängen tun – und vielen Lesben, Schwulen, Bi, Trans*- und Inter*-Menschen ist dies auch wichtig so.

Lesbisches und schwules Leben ist unterschiedlich, vielfältig und individuell. Lesben sind Frauen, Schwule sind Männer – Lesben und Schwule leben und lieben gleichgeschlechtlich. Daraus ergeben sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Ein einheitliches Modell „des“ schwulen Mannes oder „der“ lesbischen Frau gibt es ebenso wenig wie bei heterosexuellen Menschen.

Lesben und Schwule sind trotz der vielen Gemeinsamkeiten, die ihr Leben prägen, nicht gleich. Unter ihnen gibt es ebenso viele Unterschiedlichkeiten, wie sie grundsätzlich zwischen Menschen bestehen: unterschiedliche Meinungen, Vorlieben, Bedürfnisse, Lebenssituationen, Berufe, Wohnorte, politische Ansichten und vieles mehr. Es gibt Lesben und Schwule, die als Single leben oder in einer festen Partnerschaft, die Kinder haben oder nicht, die gerne in lesbisch-schwule Lokale gehen oder diese eher meiden, die sich für Politik interessieren oder lieber zurückgezogen leben. Oftmals jedoch werden diese individuellen Unterschiede in der Öffentlichkeit durch die Existenz von pauschalisierenden Bildern und Vorurteilen nicht wahrgenommen. Zwischen Lesben und Schwulen gibt es viele Gemeinsamkeiten, besonders durch die gesellschaftliche Situation, in der beide Gruppen leben. Sie alle sind mit einer vorrangig heterosexuell ausgerichteten Umwelt und mit den für sie daraus folgenden Schwierigkeiten konfrontiert. Sie gehören einer „gesellschaftlichen Minderheit“ an und sind von Diskriminierung und rechtlicher Benachteiligung betroffen. Auch die Tatsache, dass Schwule und Lesben ihr Anderssein bewältigen müssen und alle einen Coming Out Prozess durchlaufen, schafft Gemeinsamkeiten.

Besondere Lebenslagen

Auch unter Schwulen und Lesben gibt es Menschen, die sich mit besonderen Lebensbedingungen einrichten müssen und deren Leben dadurch ebenso wie durch ihre gleichgeschlechtliche Lebensweise geprägt ist. Es sind dann zwei oder sogar mehrere Identitätsmerkmale, die in das eigene Leben integriert werden müssen und oft besteht dadurch die Gefahr doppelter Diskriminierung. Beispielsweise gilt dies für Lesben und Schwule, die als Menschen mit Behinderung mit individuellen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten zurechtkommen müssen oder auch für Lesben und Schwule mit Migrationshintergrund. Erfahrungsgemäß verstärken sich diese Diskriminierungsgründe gegenseitig und erhöhen den Problemdruck für die Betroffenen erheblich.

Unterschiede zwischen Lesben und Schwulen

Lesben und Schwule leben als Männer und Frauen in unserer Gesellschaft und sind entsprechend sozialisiert. Weiblicher oder männlicher Umgang mit verschiedensten Themen führt zu geschlechtsspezifischen Unterschieden, beispielsweise in der Gestaltung von Beziehungen und Sexualität oder in den Formen der lesbischen bzw. schwulen Gemeinde, die sich durch die Ausrichtung an den jeweiligen Bedürfnissen zum Teil sehr unterscheiden.

In der Öffentlichkeit werden Schwule stärker wahrgenommen als Lesben, auch in den Medien werden oftmals nur Schwule genannt, obwohl auch Lesben betroffen sind. „Homosexuell“ wird oft als Synonym zu „schwul“ und nicht zu „schwul und lesbisch“ gebraucht. Dadurch entsteht bei manchen Menschen der Eindruck, es gäbe weniger Lesben, was jedoch nicht zutrifft. Auch gibt es mehr Lokale, die sich an schwules Publikum richten als Lokale speziell für Lesben. Hier spiegelt sich auch die ungleiche Verteilung von Geld und Einfluss zwischen den Geschlechtern: Frauen sind gegenüber Männern oft benachteiligt, was zum Beispiel finanzielle Absicherung und Verdienst angeht, sie haben dementsprechend weniger materielle Ressourcen und sind dadurch im Alter oft schlechter gestellt.
Fraueninteressen werden generell von Medien weniger aufgegriffen, dadurch sind auch Lesben weniger sichtbar. Die doppelte Benachteiligung als Frauen und als Lesben wirkt sich in verschiedenen Bereichen aus und nahm auch immer Einfluss auf die politischen Forderungen der feministischen Bewegung.
Während Lesben weniger wahrgenommen und auch weniger ernst genommen werden, wurden Schwule immer schon offener verfolgt bis hin zu Gewaltanwendung und strafrechtlicher Bedrohung. Dies verschaffte schwulen Männern mehr öffentliche Aufmerksamkeit mit vielen negativen Folgen. Beide Gruppen erfahren jedoch in gleichem Maße rechtliche und soziale Diskriminierung, was wiederum Verbindungen schafft.

Von rechtlosen Beziehungen bis zur Ehe: Eine Entwicklung.

Lesbische und schwule Paare leben ihre Beziehungen ebenso vielfältig wie heterosexuelle Paare auch. Es gibt sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede zu heterosexuellen Partnerschaften. Vor allem die gesellschaftliche Situation wirkt sich auf die Gestaltung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aus. Rechtliche und soziale Formen von Diskriminierung belasten lesbische und schwule Paare immer noch.
Lesben und Schwule wünschen sich, in ihrer Lebensweise mit ihren Liebesbeziehungen und ihrer Sexualität wahrgenommen und mit allen Aspekten, die ihre Lebensform umfassen, anerkannt zu werden. Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in 2017 ist hierzu ein großer Schritt getan!

Schwule und lesbische Liebesbeziehungen

Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind heterosexuellen in vielem ähnlich. Ebenso wie Heterosexuelle verlieben sich Lesben und Schwule, gehen feste Beziehungen ein, leben zusammen oder getrennt, streiten sich, lieben sich, haben Sex, trennen sich oder bleiben ein Leben lang zusammen, haben Kinder oder auch nicht. Gleichzeitig gibt es aber auch Unterschiede: zum einen, weil beide Teile des Paares das gleiche Geschlecht haben, zum anderen, weil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für lesbische und schwule Paare anders sind als für heterosexuelle Beziehungen.

Während über heterosexuelle Beziehungen klare gesellschaftlich-kulturell geprägte Bilder existieren, gibt es für gleichgeschlechtliche Beziehungen keine vorgegebenen Modelle. Es ist offener, wie und ob es eine Rollenaufteilung in der Partnerschaft gibt und es gibt keinen vorgezeichneten Weg der Beziehungsentwicklung oder der Einbindung in die jeweiligen „Schwiegerfamilien“. Lesbische und schwule Paare müssen also für sich selbst Formen finden, wie sie ihre Beziehung leben wollen. Dies kann eine sehr anstrengende Herausforderung sein, schafft aber auch einen großen Gestaltungsspielraum.

Aufteilungen in einen „männlichen“ und einen „weiblichen“ Teil in der Beziehung sind wenig üblich. Während früher oft aufgrund vorgegebener Rollenerwartungen aus dem Beziehungsgefüge von Mann und Frau mehr Rollenklischees übernommen wurden, sind heute vielfältige und eigene Beziehungsmuster bei lesbischen und schwulen Paaren zu finden.

Sexualität

Sexualität leben Lesben und Schwule, wie Heterosexuelle auch, individuell sehr unterschiedlich innerhalb und außerhalb von festen Beziehungen oder als Single. Es gibt in der Öffentlichkeit wenig Informationen über lesbische und schwule Sexualität, gleichzeitig aber viele Vorurteile und Zerrbilder darüber.
Lesbische und schwule Sexualität wird vielfach als „pervers“, „unreif“ oder „schmutzig“ dargestellt und damit zur Diffamierung von Lesben und Schwulen beigetragen. Während Schwule sehr viel stärker mit einem abwertenden sexualisierten Blick betrachtet werden, wird bei Lesben oft angenommen, sie würden gar keine Sexualität leben.
Manchmal werden schwule und lesbische Lebensweisen ausschließlich auf die Sexualität reduziert („Was die im Bett machen, interessiert mich nicht“).
Damit werden alle anderen Facetten schwullesbischen Lebens ausgeblendet. Aus diesem Grunde betonen Lesben und Schwule immer wieder, dass Lesbisch- und Schwulsein mehr beinhaltet als die Aussage, mit wem oder wie Sexualität gelebt wird.

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind lange Zeit sehr unterschiedlich zu denen heterosexueller Paare gewesen. Für gleichgeschlechtliche Paare gibt es immer noch wenig gesellschaftliche Anerkennung. Mit der Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft wurde zwar eine Veränderung in der öffentlichen Meinung in Gang gesetzt und auch der symbolische Wert der Verpartnerung ist für viele Paare wichtig. Jedoch ging damit weiterhin eine Ungleichbehandlung einher, da es in wichtigen Punkten weiterhin deutliche rechtliche Benachteiligungen gegenüber der Ehe gab. Es handelte sich also um eine Anerkennung mit Einschränkungen, wodurch sich viele Betroffene in einer „Ehe zweiter Klasse“ empfinden.
Dies wurde mit der Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare in 2017 geändert, die rechtliche Gleichstellung damit weitgehend vollzogen.

Da Lesben und Schwule auch mit negativen Reaktionen rechnen müssen, wenn sie offen erkennbar sind, wägen sie vielfach ab, in welchen Situationen sie dies zulassen oder verhindern. So ist es für gleichgeschlechtliche Paare nicht selbstverständlich, dass sie in der Öffentlichkeit Hand in Hand spazieren gehen oder sich mit einem Kuss begrüßen können. Angestarrt oder gar belästigt zu werden ist unangenehm und erschwert häufig ein offenes Auftreten als Paar. Es gibt Paare, die sich weniger einschüchtern lassen und sich im öffentlichen Raum kaum einschränken und andere, die aus obigen Gründen sehr verborgen bleiben. Alle müssen jedoch mit der Gefahr negativer Reaktionen zurechtkommen. Wenn sich Schwule oder Lesben als Paar in der Öffentlichkeit erkennbar machen, müssen sie sich immer auch Gedanken um die Konsequenzen machen. Dies kann eine schwerwiegende Einschränkung und Belastung für eine Partnerschaft darstellen.

Die Akzeptanz der Beziehung durch die Herkunftsfamilie ist schwulen und lesbischen Paaren oft sehr wichtig. Der Umgang mit einer lesbischen Schwiegertochter oder einem schwulen Schwiegersohn ist in den Familien jedoch sehr unterschiedlich. Dies hat auch damit zu tun, wie die Eltern mit der Identität ihrer Tochter oder ihres Sohnes zurechtkommen. In manchen Familien gibt es beispielsweise ein mehr oder weniger stillschweigendes Tolerieren der Lebensweise des Kindes, eine weitergehende Beschäftigung damit wird aber abgelehnt. Unausgesprochen ist damit klar, dass die Partnerschaft keinerlei Rolle im Familienleben wie z.B. bei Einladungen, kleineren oder größeren Familienfesten usw. spielt.
Manche Paare geben sich damit zufrieden, um den Kontakt zur Herkunftsfamilie nicht zu belasten. Diese Form der Ausgrenzung kann sich aber sehr negativ auf die Paarbeziehung auswirken.
Manchmal kommt es aber auch zum offenen Konflikt oder gar zum Kontaktabbruch mit der Herkunftsfamilie, weil die gleichgeschlechtliche Partnerschaft nicht akzeptiert wird.
Andere Familien hingegen haben die Lebensweise ihres Sohnes oder ihrer Tochter vollständig akzeptiert und integrieren die Partnerschaft ganz selbstverständlich in das Familienleben, was für eine Liebesbeziehung sehr stärkend ist.

Schwule und lesbische Paare brauchen viel Selbstbewusstsein und Kraft, um sich nicht durch die Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert werden, zu sehr beeinträchtigen zu lassen. Sie haben vielfältige Bewältigungsstrategien entwickelt und oft kreative Lösungen für verschiedene Probleme gefunden. Je stabiler das Selbstwertgefühl der Einzelnen ist und je mehr positive Identifikation mit der eigenen Identität vorhanden ist, desto positiver und stabiler können Liebesbeziehungen gelebt werden.

Die Eingetragene Lebenspartnerschaft

Seit 2001 existiert in Deutschland die Eingetragene Lebenspartnerschaft.
Diese ermöglichte es lesbischen und schwulen Paaren, eine Beziehung ähnlich wie bei einer Eheschließung rechtlich abzusichern. Zu Beginn war diese Lebenspartnerschaft kaum mit einer Ehe zu vergleichen, es existierten viele Ungleichheiten. So waren zahlreiche Pflichten enthalten, die auch Ehepaare bei einer Heirat übernehmen, jedoch nur wenige Rechte, die den Ehepaaren selbstverständlich zustanden. Beispielsweise waren gleichgeschlechtliche Paare gegenseitig unterhaltspflichtig, konnten aber keine Steuervorteile für sich in Anspruch nehmen. Im Erbrecht waren sie weiter benachteiligt und die Lebenspartnerschaft wurde in Bayern nicht beim Standesamt geschlossen, sondern musste bei einem Notar unterschrieben werden.

Nach und nach wurde das Gesetz nachgebessert, zum Teil durch Eingaben aus der Politik oder durch den Gesetzgeber selbst und zum Teil wurden die Rechte nach und nach durch Klagen vor dem Europäischen Gerichthof bzw. dem Bundesverfassungsgericht durchgesetzt. Beispielsweise wurde die Gleichstellung bei der Einkommenssteuer erst nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2013 umgesetzt.

Gleichgeschlechtliche Paare mussten lange Zeit hinnehmen, dass ihre Partnerschaften auch mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft stark benachteiligt wurden. Innerhalb einiger Jahre hat sich die rechtliche Situation aber immer mehr der Ehe angeglichen. 2017 gibt es nur mehr wenige Unterschiede in den Rechtsfolgen. Seit 2011 konnte auch in Bayern die Lebenspartnerschaft beim Standesamt geschlossen werden.
Der bedeutendste Unterschied war immer noch die Tatsache, dass es sich per Gesetz nicht um eine Ehe handelt. Dies zeigte sich auch deutlich in Unterschieden bei der Wortwahl. Gleichgeschlechtliche Paare haben den Familienstand „verpartnert“ und man spricht statt von „Trauung“ von „Begründung der Lebenspartnerschaft“.
Mit Öffnung der Ehe zum 01. Oktober 2017 wurden schließlich die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften rechtlich gleichgestellt, die Benachteiligungen weitgehend abgebaut.

Vielfältige Konstellationen

„Regenbogenfamilien“ ist eine Bezeichnung für Familien mit einem oder zwei lesbischen oder schwulen Elternteilen. Der Begriff stärkt die Identität und das Selbstbewusstsein von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern und hebt hervor, dass es sich um eine eigenständige und gleichwertige Familienform handelt, ähnlich wie beispielsweise Patchworkfamilien oder Stieffamilien.

Regenbogenfamilien haben sich inzwischen untereinander vernetzt, um sich gegenseitig zu unterstützen und ihre Interessen zu vertreten. Sie engagieren sich für Sichtbarkeit und stellen Informationen zur Verfügung, um zu mehr Aufklärung über diese Familienform beizutragen.

Regenbogenfamilien können auf unterschiedliche Weise entstehen.
So können Frauen oder Männer bereits Kinder haben, bevor sie eine lesbische oder schwule Partnerschaft eingehen und bringen diese dann mit in die neue Beziehung.
Lesbische Paare, die ihren Kinderwunsch zusammen verwirklichen möchten, können dafür unterschiedliche medizinische Möglichkeiten nutzen.
Auch schwule Paare wünschen sich manchmal Kinder und so verwirklichen lesbische und schwule Paare ihren Kinderwunsch immer öfter gemeinsam und kümmern sich dann gemeinsam um die Kinder.

Die gesetzliche Lage für Regenbogenfamilien ist nicht einfach. Einige Belange sind auch in der Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht eindeutig geklärt oder weisen Mängel auf, so das Sorgerecht für Kinder, die aus einer früheren Beziehung eines Partners / einer Partnerin stammen. Hier gibt es nur ein „kleines Sorgerecht“ für alltägliche Situationen. Eine Regelung für den Fall, dass dem leiblichen Elternteil etwas zustößt, fehlt.
Seit 2005 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Stiefkinderadoption in Eingetragenen Lebenspartnerschaften geschaffen, so dass der / die nicht mit dem Kind verwandte Lebenspartner /-partnerin dieses annehmen kann.
Mit Öffnung der Ehe 2017 für gleichgeschlechtliche Paare haben sich viele der rechtlichen Schwierigkeiten aufgelöst. Nach wie vor nicht geregelt wurde jedoch das Abstammungsrecht. So sind Kinder, die in einer gleichgeschlechtlichen Ehe geboren werden - im Gegensatz zu Kindern in einer verschiedengeschlechtlichen Ehe - nicht automatisch ehelich und damit Kinder beider Elternteile.

Neben den für Patchworkfamilien typischen Problemlagen müssen Regenbogenfamilien zusätzlich mit den Reaktionen ihres sozialen Umfeldes auf ihre außergewöhnliche Familienkonstellation zurechtkommen. Nicht jede Kindertagesstätte oder Schule, nicht alle Nachbarn oder Familien der Freunde der Kinder sind auf zwei gleichgeschlechtliche Elternteile eingestellt, vielerorts gibt es Vorurteile und Bedenken gegenüber Regenbogenfamilien.

Die Kinder von lesbischen und schwulen Eltern

In unserer Gesellschaft gibt es Befürchtungen, dass Kinder, die mit lesbischen oder schwulen Eltern aufwachsen, große Probleme entwickeln würden. Inzwischen existieren einige Studien, zum großen Teil aus den USA, die dies widerlegen. In diesen Studien wurde aufgezeigt, dass die Kinder keine außergewöhnlichen psychischen Probleme aufweisen, dass sie oftmals gut entwickelte soziale Kompetenzen und eine hohe Zufriedenheit haben. Auch Berichte von in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften lebenden Kindern, die hier in Deutschland interviewt wurden, bestätigen diese Erkenntnisse.
Die betroffenen Kinder und Jugendlichen berichten, dass die gleichgeschlechtliche Lebensweise ihrer Eltern für sie weniger ein Problem darstellt als die Reaktionen der Außenwelt. Sie wünschen sich oft, dass ihre Eltern zur eigenen Lebensweise stehen und ihr soziales Umfeld darüber informieren. Je mehr Normalität im Umgang mit der Lebensweise und je mehr Selbstbewusstsein bei den Eltern vorhanden ist, desto besser kommen ihre Kinder damit zurecht, da sie dadurch entlastet werden.
Zudem erfahren Kinder, die selbstbewusst mit ihrer Familiensituation auftreten können, weniger negative Reaktionen von Gleichaltrigen.

In den Studien wurde auch mehrfach nachgewiesen, dass die Lebensweise der Eltern keinerlei Einfluss auf die sexuelle Identität der Kinder nimmt, wohl aber auf die Fähigkeit der Kinder, sich auf ungewöhnliche Lebenssituationen gut einstellen zu können.

Jugendliche befinden sich generell in einer Lebensphase, die durch die Suche nach der eigenen Identität gekennzeichnet ist. Nicht heterosexuell zu sein, bringt zusätzliche Belastungen mit sich.
Im Allgemeinen gibt es im Kontakt mit Gleichaltrigen ein großes Bedürfnis, dazu zu gehören und sich für die gleichen Dinge zu interessieren, da dadurch auch die Ablösung vom Elternhaus unterstützt wird. Das Interesse am anderen Geschlecht steht in der Pubertät oft im Mittelpunkt der Gespräche und Aktivitäten von Jugendlichen, lesbische und schwule Jugendliche spüren hier ihr Anderssein und ggf. ihr Ausgeschlossensein besonders stark.
Das Coming Out bei Jugendlichen verläuft meist in den beschriebenen vier Phasen (siehe “Coming Out“). Viele Jugendliche versuchen, erste homosexuelle Gefühle zu unterdrücken und gehen unter Umständen sogar Beziehungen zum anderen Geschlecht ein, um sich nicht als homosexuell erkennen geben zu müssen.
Auch versuchen Jugendliche oft ihre Homosexualität zu verbergen, da sie Angst vor Ablehnung und Ausschluss haben. Die Folgen können Rückzug aus ihren sozialen Bezugsgruppen und eine hohe emotionale Belastung sein. In verschiedenen Befragungen berichten betroffene Jugendliche, dass Gefühle von Einsamkeit und Angst die Zeit ihres Coming Out grundlegend geprägt haben und nannten nicht selten Alkohol- und Drogenmissbrauch als Bewältigungsstrategien bis hin zu Suizidgedanken. Verschiedene Studien weisen auf ein erhöhtes Suizidrisiko bei lesbischen und schwulen Jugendlichen hin und schätzen diese Gefahr als etwa viermal höher ein als bei heterosexuellen Jugendlichen.

Der Verlauf des Coming Out ist sehr davon abhängig, welche Unterstützung Jugendliche erfahren und wie stabil sie in ihrer emotionalen Entwicklung sind. Durch die vielen Informationsmöglichkeiten im Internet ist es inzwischen leichter geworden, etwas über lesbische und schwule Lebensweisen zu erfahren und dadurch auch Belastungen abzumildern.
In ihrem Alltag fühlen sind schwule und lesbische Jugendliche trotzdem oft isoliert und haben nicht selten das Gefühl, der oder die Einzige an der Schule zu sein. Die Notwendigkeit von Hilfsangeboten und Informationsvermittlung ist daher sehr hoch, damit krisenhafte Entwicklungen bei den jungen Leuten gar nicht erst eintreten.

Bei der Suche nach Vertrauenspersonen zeigt sich, dass sich Jugendliche zu Beginn des Coming Out eher selten an ihre Eltern wenden. Für die Jugendlichen würde eine negative Reaktion ihren zentralen sozialen Lebens- und Schutzraum – die Familie – in Frage stellen.
Die häufigsten Ansprechpartner sind die beste Freundin oder der beste Freund, wobei nicht selten vorher über einen längeren Zeitraum in Erfahrung gebracht wird, wie diese zu Homosexualität stehen.
Falls vorhanden wenden sich die Jugendlichen durchaus auch an professionelle Hilfsangebote wie Beratungsstellen oder Jugenddienste. Gerade hier zeigt sich die hohe Bedeutung von Betroffeneneinrichtungen, die den Jugendlichen mit Rat und Tat zur Seite stehen und aufgrund ihrer schwullesbischen Ausrichtung Diskriminierungsfreiheit garantieren. Ebenso wichtig wären aber auch gut informierte und offene Pädagoginnen und Pädagogen an den Schulen und in den Jugendeinrichtungen. Gerade die Reaktionen erster (in der Regel heterosexueller) Vertrauenspersonen sind für die Betroffenen entscheidend dafür, wie ihr Coming Out weiter verläuft und ob sie eine sich selber wertschätzende und gelingende Entwicklung nehmen können.

Wenn Jugendliche ihr inneres Coming Out bewältigt haben, stellt sich auch für sie die Frage, wie offen sie weiter mit ihrer sexuellen Identität umgehen. Gerade in der Schule werden von jungen Lesben und Schwulen sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht, die von Akzeptanz und Unterstützung bis hin zu Ausschluss und sogar Mobbing reichen. Aufklärung an Schulen und ein Klima von Toleranz gegenüber allen Lebensformen kann Jugendlichen das Coming Out in vielerlei Hinsicht erleichtern.

Der Zeitpunkt des Coming-Out

Eine Berliner Studie präsentiert aufschlussreiche Ergebnisse:

  • Erste konkretere Vermutungen, nicht heterosexuell zu sein, haben Jugendliche oft im Alter von 13 bis 15 Jahren. Dabei fällt auf, dass Jungen ihre sexuelle Identität meist früher bewusst ist als Mädchen.
  • Das Durchschnittsalter, in dem Jugendliche sich zum ersten Mal anderen anvertrauen, liegt zwischen 16 und 18 Jahren. Mädchen suchen eher als Jungen Gespräche mit Vertrauenspersonen.
  • Die Eltern werden meist erst zwei Jahre nachdem die Betroffenen mit anderen gesprochen haben, informiert und dies häufig erst nach Erreichen der Volljährigkeit. Im Durchschnitt vergehen vier bis fünf Jahre von der ersten konkreteren Ahnung der eigenen gleichgeschlechtlichen Identität bis zu einem ersten Gespräch mit den Eltern.
  • 45% der jungen Lesben und 61% der jungen Schwulen versuchen, die eigene Homosexualität zu unterdrücken. Alkohol- und Drogenmissbrauch wurden häufig als Bewältigungsstrategien genannt.
  • Erschreckend hoch lag die Zahl der Jugendlichen, die Suizid als Lösungsmöglichkeit für sich in Erwägung gezogen hatten: bereits 18% hatten einen Suizidversuch unternommen und sechs von zehn Befragten hatten bereits an Suizid gedacht.
  • Nur 1% der Jugendlichen hatten keine größeren Probleme.

(Studie: Senatsverwaltung für Jugend, Schule und Sport (Hrsg.): „Sie liebt sie. Er liebt ihn. Eine Studie zur psychosozialen Situation junger Lesben, Schwuler und Bisexueller in Berlin“, Berlin 1999)

Die Situation der Eltern

Wenn Eltern erfahren, dass ihr Kind nicht heterosexuell ist, empfinden sie dies zu Anfang oftmals als Schock. Vorurteile und eigene Ängste verdrängen oftmals zunächst den Blick auf die Situation des Kindes. Häufig entspricht eine gleichgeschlechtliche Ausrichtung nicht den eigenen Werten und Wünschen, die Eltern für ihr Kind haben.
Viele Eltern haben wenig Informationen über lesbische und schwule Lebensweisen. Sie befürchten, ihr Kind könnte niemals glücklich werden oder einsam sein. Sie befürchten, dass ihr Kind Nachteile aufgrund der Lebensweise bekommen oder von Diskriminierung oder gar von Gewalt betroffen sein könnte. Zum Teil schämen sie sich vor anderen Familienangehörigen oder Bekannten für die lesbische Tochter oder den schwulen Sohn, da sie dort eine Schuldzuschreibung ihnen als Eltern gegenüber vermuten. Viele Eltern stellen sich auch selber die Frage, ob sie durch Erziehungsfehler die Homosexualität des Kindes bewirkt haben. Dies ist meist mit ausgeprägten Gefühlen von Schuld und Scham verbunden.
Zu erfahren, dass dies nicht der Fall ist und dass Homosexualität nicht durch Fehler der Eltern entsteht, bedeutet oft eine große Entlastung für die betroffenen Mütter und Väter und ermöglicht ihnen einen offeneren Umgang mit den Kindern.

Eltern brauchen Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen und sachgerechte Informationen, um zu verstehen, was sie für ihr Kind bedeutet. Sie müssen eine eigene Entwicklung durchlaufen, die dem des Coming Out ihrer Kinder durchaus ähnlich ist.
Innerhalb dieses Prozesses ist es notwendig, sich mit Moralvorstellungen, Ängsten und Wünschen auseinander zu setzen. Wenn dieser Weg gemeinsam positiv bewältigt wird, können sich Eltern meist gut mit der neuen Situation zurechtfinden und ein gutes Verhältnis zu ihren Kindern und deren Partnern erhalten oder entwickeln.

Dabei kann es sehr unterstützend sein, sich Hilfe bei Beratungsstellen zu holen. In manchen Städten gibt es auch Selbsthilfegruppen, an die sich betroffene Eltern wenden können. Auf Bundesebene gibt es einen Verband von Eltern schwuler und lesbischer Kinder (BEFAH e.V.), der Informationen und Unterstützung zur Verfügung stellt.

Bisexualität ist neben Hetero- und Homosexualität eine eigene sexuelle Identität. Sie wird von und für Menschen verwendet, die sich von mehr als einem Geschlecht emotional und sexuell angezogen fühlen.
Bisexualität ist somit keine Kombination aus Homo- und Heterosexualität.

Die in diesem Zusammenhang oft zitierte Definition der amerikanischen Aktivistin und Autorin Robyn Ochs lautet dabei wie folgt: “Ich nenne mich bisexuell, weil ich das Potenzial habe, romantische und / oder sexuelle Anziehung zu Menschen mehr als eines Geschlechts zu haben - nicht unbedingt zur selben Zeit, auf dieselbe Art und Weise, oder gleich intensiv.”

Bisexuelle Menschen haben häufig das Problem, dass ihre sexuelle Identität nicht ernst genommen wird. Es wird unterstellt, dass Bisexuelle eigentlich schwul oder lesbisch wären, sich nur nicht trauen, sich dies in vollem Umfang einzugestehen. Damit wird man aber der Tatsache nicht gerecht, dass sich bisexuelle Menschen meist intensiv mit ihrer Identität auseinandersetzen müssen.

Das Coming Out bisexueller Menschen ist - anders als das von Lesben und Schwulen - davon geprägt, sich nicht einer Gruppe eindeutig und ausschließlich zuordnen zu können. Ein Coming Out muss daher immer wieder erneut bei jeder Partner*innenwahl geleistet werden.
Auch bewegen sich bisexuelle Menschen dadurch in verschiedenen sozialen Welten, die nicht immer kompatibel sind.
So gibt es in der heteronormativ ausgerichteten Mehrheitsgesellschaft oft unterschiedliche Ab- und Ausgrenzungsmechanismen gegen die schwullesbische Community. In dieser wiederum besteht häufig ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Eindeutigkeit und Zuordnung und damit eine Abgrenzung gegen scheinbar uneindeutige Identitäten.

Wissenswertes über Trans* und Inter*

Das Wort "Trans" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet ursprünglich „über, über etwas hinaus, jenseits“.
Es gibt verschiedene Begriffe, die Trans* Menschen bezeichnen und die in unterschiedlichen Kontexten benutzt werden.

Die Bezeichnung und Schreibweise "Trans*/trans*" wird bevorzugt benutzt, um die Bandbreite der Möglichkeiten im Trans*Bereich zu zeigen. Dies drückt sich durch den Stern am Begriff Trans* aus. Sie schließt alle ein, die sich ganz oder zum Teil nicht dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlen oder sich nicht entscheiden wollen oder können.

Trans* bezeichnet grundsätzlich eine Identität, die körperlich-biologische und emotional-seelische wie auch soziale Ebenen umfassen kann. Die Tatsache, dass sich eine Person nicht ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlt, kann sich im Wunsch nach einer umfassenden Angleichung der Geschlechtsidentität durch rechtliche und medizinische Maßnahmen äußern. Es kann auch der Wunsch vorhanden sein, sich nicht den starren Kategorien von weiblich oder männlich zuzuordnen. Ausschlaggebend für die Selbst- und Fremdwahrnehmung ist nicht alleine der Körper sondern auch das Identitätsgefühl, das Empfinden und Verhalten.

Es wird unterschieden zwischen trans* Frauen (Mann zu Frau-trans* Menschen) und trans* Männern (Frau zu Mann-trans* Menschen), außerdem gibt es auch trans* Menschen, die sich nicht eindeutig als Frau oder Mann zuordnen- häuftig bezeichen sich diese Personen als "nicht-binär" oder "non-binär".

Grundsätzlich sollte man eine trans* Frau immer als Frau ansprechen, einen trans* Mann immer als Mann.
Wenn Sie sich unsicher fühlen, fragen Sie ihr Gegenüber, wie er/sie gerne angesprochen werden möchte.

Bei Trans*Identitäten handelt es sich nicht um Fragen der sexuellen Identität sondern vielmehr um die grundlegende Geschlechtsidentität.

Homosexualität und Trans*Identität sind zwei voneinander völlig unabhängige Phänomene. Trans*Menschen können sich sowohl als schwul, lesbisch, hetero- oder bisexuell definieren oder eine Definition ihrer sexuellen Ausrichtung ablehnen.

Trans*Personen sind ein Teil der Münchner Stadtgesellschaft. Jedoch sind sie nach wie vor deutlichen Ausgrenzungen, Diskriminierungen und den entsprechenden Folgeproblemen ausgesetzt.
Hierzu gibt es eine wissenschaftliche Expertise der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Berlin, 2010, Seite 5f).

„Internationale Studien belegen, dass Trans*Personen in allen Bereichen des täglichen Lebens, insbesondere auch im Arbeitsleben, massiven Diskriminierungen ausgesetzt sind. Diese reichen von Benachteiligung beim Zugang zum Arbeitsmarkt und bei Karrierechancen über Ablehnung und Belästigungen bis hin zu Gewalt.
Trans*Personen sind überdurchschnittlich häufig von Arbeitsverlust, Arbeitslosigkeit sowie Armut betroffen und arbeiten sehr oft unter ihren Qualifikationen. Sie berichten von transphoben Verhaltensweisen von Kolleg_innen und Vorgesetzten sowie struktureller Benachteiligung durch den institutionalisierten medizinischen und juristischen Umgang mit Transgeschlechtlichkeit.
Laut EU-Rechtsprechung sind Trans*Personen im Antidiskriminierungsrecht unter dem Merkmal „Geschlecht“ geschützt; in Deutschland zusätzlich unter der Sonderregelung der „sexuellen Identität“. Mangels Präzedenzfällen besteht Rechtsunsicherheit über den Diskriminierungsschutz im AGG von Trans*Menschen in Deutschland.
Es bedarf der breiten und nachhaltigen Sensibilisierung und Fortbildung in Bezug auf die soziale, rechtliche und Diskriminierungssituation von Trans*Personen u. a. in allen Ebenen von Unternehmen, Organisationen und Ämtern, im Gesundheitswesen sowie im Bereich der Rechtsprechung und juristischen Beratung. Dazu zählen Gender Mainstreaming und Antidiskriminierungsstrategien, die eine Vielfalt geschlechtlicher Identitäten und Ausdrucksweisen zugrunde legen und explizit thematisieren. Bei der Konzeption und Implementierung von Gleichstellungsmaßnahmen ist die Expertise von Trans*Organisationen unerlässlich.“
(Aus: Antidiskriminierungsstelle des Bundes, „Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben“. Expertise von Jannik Franzen, Dipl.-Psych. Arn Sauer, M. A.

Zur Anzahl von Trans*Personen liegen keine statistischen Erkenntnisse vor. Erfasst werden können nur gemäß dem Transsexuellengesetz (TSG) durchgeführte Personenstandänderungen. Da aufgrund der damit verbundenen Voraussetzungen und Auswirkungen viele Trans*Personen diese Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen, kann keine seriöse Auskunft über die Größe dieser Bevölkerungsgruppe gemacht werden. Mit der zunehmenden Enttabuisierung des Themas steigt die Zahl der offen lebenden Trans*Menschen deutlich, insbesondere entscheiden sich vermehrt auch sehr junge Trans*Personen zum Schritt der Geschlechtsangleichung bzw. zu einem Coming Out. Es kann davon ausgegangen werden, dass in München aufgrund der Großstadtstruktur und der vorhandenen Selbsthilfeangebote im Vergleich zu den ländlichen Gebieten deutlich mehr Trans*Menschen leben.

Trans*Menschen sind mit multiplen Belastungssituationen und Problemen in verschiedenen Lebensbereichen konfrontiert.

Laut Studien aus den USA haben bereits 41 % aller Transgender mindestens einen Suizidversuch unternommen. Diese Zahlen werden von der Deutschen Gesellschaft für Transsexualität und Intersexualität auch für Deutschland für realistisch eingeschätzt. Deutsche Studien hierzu existieren nicht, jedoch gibt es Hinweise aus diversen Befragungen, die diese Annahme untermauern.
Grundsätzlich besteht für Transgender ein deutlich erhöhtes Risiko, Opfer von Diskriminierung und Gewalt sowieso Benachteiligung zu werden. Auch nach einer gelungenen Transition haben viele Trans*Menschen noch mit zum Teil gravierenden Folgen dieses Schrittes zu kämpfen wie z.B. Ausgrenzungen im sozialen Umfeld, Kontaktabbrüche in der Familie und Verlust wichtiger Bezugspersonen, Gewalterfahrungen, Arbeitsplatzverlust, gesundheitliche und / oder psychische Probleme.

Trans*Personen können rechtliche und medizinische Schritte unternehmen, um ihre Geschlechtsidentität anzugleichen.
Grundlage dafür ist das Transsexuellengesetz. Darin sind Voraussetzungen und Verfahren festgelegt.

Der Trans*Weg kann sehr unterschiedlich verlaufen. Es ist möglich, eine umfassende rechtliche und medizinische Angleichung vorzunehmen oder auch nur Teile davon in Anspruch zu nehmen.
Voraussetzung für alle angleichenden Maßnahmen ist grundsätzlich eine begleitende psychotherapeutische Behandlung und das Vorlegen von psychologischen Gutachten.
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Therapeutinnen und Therapeuten, die Erfahrungen mit dem Thema Trans* haben. Informationen dazu sind bei den Selbsthilfevereinen zu finden.

Rechtliche Schritte: Vornamensänderung und Personenstandänderung

Die rechtliche Angleichung umfasst Vornamensänderung und Personenstandänderung.
Die Vornamensänderung führt dazu, dass ein dem Geschlecht entsprechender Vorname gewählt werden und an Stelle des alten Namens offiziell verwendet werden kann. Jedoch bleibt die Person mit neuem Vornamen ihrem bestehenden rechtlichen Geschlecht zugeordnet.
Die Personenstandänderung führt dazu, dass die Person rechtlich dem gewünschten Geschlecht angehört und alle Papiere und Unterlagen entsprechend auf den neuen Personenstand angeglichen werden müssen. Auch Behörden müssen dann die neue Identität durchgängig verwenden. Oftmals werden beide Schritte gleichzeitig beantragt.

Zur rechtlichen Angleichung gibt es ein gerichtliches Verfahren, dem das Transsexuellengesetz als Grundlage dient.

Nach Beginn einer Psychotherapie kann im Laufe der Therapiezeit die Vornamens- und Personenstandänderung beantragt werden. Hierzu nötig sind zwei von einander unabhängige Gutachten. In der Regel werden die Gutachter vom Gericht bestellt oder können dem Gericht selbst genannt werden. Eines der Gutachten kann unter Umständen auch durch in Anspruch genommene Therapeutinnen oder Therapeuten erstellt werden, sofern diese bei Gericht für die Gutachten zugelassen sind.
Der Antrag hierfür kann jederzeit gestellt werden. Es ist keine vorausgegangene medizinische Behandlung nötig. Welche Unterlagen vorzulegen sind, kann beim zuständigen Amtsgericht erfragt werden. Manche Gerichte, wie z.B. das Vormundschaftsgericht München haben hierzu spezielle Informationen auf ihrer Homepage.
Nach Antragstellung und Einreichung aller notwendigen Papiere werden die Gutachten in Auftrag gegeben. Sind diese fertig gestellt, wird ein Termin zur Anhörung festgesetzt. Hier muss endgültig der künftige Vorname festgelegt werden.
Nach Klärung aller relevanten Voraussetzungen und sofern von der Staatsanwaltschaft kein Einspruch erhoben wurde, erlässt das zuständige Gericht einen Beschuss zur Vornamens- und / oder Personenstandänderung.
Mit diesem amtlichen Dokument können alle Dokumente bis hin zur Geburtsurkunde, geändert werden. Hierauf besteht ein Rechtsanspruch.

Ausländische Trans*Personen, die in Deutschland leben, müssen die Vornamens- und Personenstandänderung in ihrem jeweiligen Heimatland durchführen, sofern dies möglich ist. Deutsche Trans*Personen, die im Ausland leben, müssen sich hierfür an das Amtsgericht Berlin-Schöneberg wenden.

Die medizinische Angleichung umfasst die Behandlung mit Hormonen sowie verschiedene geschlechtsangleichende Operationen. Es kann frei entschieden werden, welche Operationen oder Behandlungen durchgeführt werden.
Voraussetzung ist auch hier die begleitende psychotherapeutische Behandlung von ca. 18 Monaten. Dies gilt auch für die Kostenübernahme durch die Krankenkassen.
Das Ziel der Therapie sollte die Linderung des Leidensdrucks und die Erprobung der Lebbarkeit im neuen Geschlecht sein. Keinesfalls sollte sie die Änderung der Trans*Identität zum Ziel haben. Daher ist es ratsam, eine Therapeutin oder einen Therapeuten mit Erfahrung im Trans*Bereich aufzusuchen.

Während der Therapiezeit kann mit der Behandlung mit Hormonen begonnen werden.
Dies wird in der Therapie besprochen und geplant. In dieser Zeit wird auch der sogenannte Alltagstest, also das Auftreten in der Öffentlichkeit mit der passenden Geschlechtsidentität, durchlaufen. Nach 18 Monaten Therapiezeit und mindestens 6 Monaten Hormongabe können dann geschlechtsangleichende Operationen in Anspruch genommen werden. Diese können meist schon länger vorher bei der Krankenkasse beantragt werden. Es müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein und Gutachten vorgelegt werden.
Informationen dazu gibt es bei den Selbsthilfevereinen oder auch bei den Krankenkassen.

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Dieser Begriff bezeichnet Menschen, die genetisch und / oder anatomisch und / oder hormonell nicht eindeutig in die medizinische Kategorie "weiblich" oder "männlich" zugeordnet werden können. Teilweise sind beide Geschlechtsmerkmale in der gleichen Person bei Geburt angelegt. Betroffene Menschen bezeichnen sich selbst als intersexuelle oder inter*geschlechtliche Menschen. Die Schreibweise Inter* verdeutlicht mit dem Stern die Vielfalt der Identitäten.

Lange Zeit wurden inter* geborene Kinder bereits im Säuglingsalter operiert, zum Teil mit schwerwiegenden Folgen. Diese Operationen wurden zunehmend als Zwangsmaßnahmen kritisiert und in ihren Folgen und ihrer Sinnhaftigkeit in Frage gestellt.
Seit 2021 gibt es ein „Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“, aber der Druck auf Eltern ist groß eine "eindeutige Geschlechtszuordnung" herzustellen. Für Eltern gibt es einige Möglichkeiten, sich zu informieren.
Ende 2018 hat der Gesetzgeber für Menschen mit "Varianten der Geschlechtsentwicklung" im Personenstandsgesetzt Möglichkeit geschaffen neben den Geschlechtseinträgen "männlich" und "weiblich" den Eintrag "divers" zu wählen oder diesen offen zu lassen.

Der Deutsche Ethikrat hat sich im Auftrag der Bundesregierung am 23. Februar 2012 in einer umfangreichen Stellungnahme ausführlich mit der Situation von intergeschlechtlichen Menschen beschäftigt und gibt u.a. folgende Empfehlung ab:

„Menschen mit DSD (differences of sex development) müssen mit ihrer Besonderheit und als Teil gesellschaftlicher Vielfalt Respekt und Unterstützung der Gesellschaft erfahren. Vielen Intersexuellen ist in der Vergangenheit schlimmes Leid widerfahren, wie die Betroffenenberichte eindrücklich zeigen. Intersexuelle müssen vor medizinischen Fehlentwicklungen und Diskriminierung in der Gesellschaft geschützt werden, Eltern von Kindern mit DSD brauchen fachkundige Unterstützung. Zur Förderung des Respekts und der Unterstützung Intersexueller in der Gesellschaft ist eine breite Wissensvermittlung erforderlich. Die Lebenssituation Betroffener ist ganzheitlich, mit Blick auf alle Dimensionen menschlichen Lebens und menschlicher Lebensqualität zu beachten.“ (Deutscher Ethikrat, „Intersexualität“, Stellungnahme vom 23.02.2012, Seite 172f, Berlin 2012)

In München gibt es verschiedene Angebote und Gruppen für trans*, inter* und nonbinäre Menschen. Einige dieser Gruppen gibt es schon seit Jahrzehnten, einige sind in den letzten Jahren neu dazu gekommen. Wie beispielsweise:

 

Glossar zum Thema LGBTIQ*

Wörter, Begriffe, Bedeutungen - ein Glossar zu LGBTIQ*. Das Glossar soll helfen einen einheitlichen Sprachgebrauch und ein übereinstimmendes Begriffsverständnis innerhalb der Landeshauptstadt München zu ermöglichen.

LGBT-Community

Community-Einrichtungen - Queere Hilfe

München verfügt über ein breites Angebot an Unterstützung, Information und (Selbst-)Hilfe. Die Unterstützungsangebote richten sich sowohl an LGBTIQ*, als auch deren Freund*innen und Angehörige sowie an Fachkräfte.
Communityangebote

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Wissensnetz und Informationspool zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen und geschlechtlicher Vielfalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
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