Tanzstipendien

Mit dem Tanzstipendium soll die künstlerische Weiterbildung bzw. die Erarbeitung eines neuen künstlerischen Konzepts gefördert werden.

Arbeitsstipendien zur Weiterbildung

Die eingereichten Vorschläge werden durch die Juries der freien Tanzgruppen.

Die Vergabeempfehlungen der Juries orientieren sich an den Grundlagen und Richtlinien der Förderung aktueller darstellender Kunst. Danach werden Künstlerinnen und Künstler sowie Gruppen gefördert, die auf der Basis nachgewiesener professioneller Arbeit erste künstlerische Erfolge erzielt haben. 

Bewerben können sich Künstlerinnen und Künstler sowie Gruppen im Bereich Tanz und Theater, die in ihren Wohnsitz in der Region München haben. Die Stipendien sind vorhabensbezogene Arbeits- und Weiterbildungsstipendien, mit denen sowohl jüngere als auch etablierte Choreographinnen und Choreographen gefördert werden sollen. Es besteht keine Altersbegrenzung. Die Förderung beträgt maximal 8.000 Euro.

Die Einreichung der Bewerbungen ist bis 1. Juni für das Folgejahr möglich.

Das Tanzstipendium erhielten

Matteo Carvone: Echoes

Matteo Carvone stellt als ehemaliges Mitglied der Ballettkompanie des Staatstheaters am Gärtnerplatz ein bedeutendes Bindeglied des zeitgenössischen Tanzes und des Balletts dar. Hier wie dort hat er in den vergangenen zehn Jahren vielbeachtete Werke choreografiert. Durch seine enge Verbindung zur renommierten Biennale Danza di Venezia, konnte er mit seinen dort wiederholt gezeigten Stücken zur Strahlkraft des zeitgenössischen Tanzes aus München und damit zur internationalen Sichtbarkeit beitragen. Für das Forschungsvorhaben „Echoes“ möchte Carvone seine besondere Faszination für das breite Feld der Natur in die ferne Zukunft ausweiten und sich mit Fiktionen zum posthumanen Zeitalter beschäftigen. Für seine Fragestellungen, wie sich unser technologisches Erbe weiterentwickeln und womöglich in die natürliche Umwelt integrieren lässt, plant der Choreograf ein internationales Netzwerk mit interdisziplinären Fachleuten in Deutschland, Italien, Kanada und Mexiko zum Thema künstliche Intelligenz und Posthumanismus aufzubauen. Die Jury hält die Recherchetätigkeit des Künstlers für unterstützenswert und empfiehlt hierfür eine Förderung von 8.000 Euro.
 

Cristina D’Alberto: TIME Chapter 2

2022 gründete Cristina D’Alberto die Plattform “TIME – The Intergenerational Movement Explorer”. Zusammen mit dem Dramaturgen Bas van Der Kruk erforscht sie in diesem Rahmen Themen rund um die körperliche Bewegung von Tänzer*innen im Alter von 13 bis 76 Jahren. Die dazugehörige Website (Link: https://time-projects.net) gibt netzwerkartig Einblick in die verschiedenen Praktiken, Tools und Dokumentationsweisen ihres langfristig ausgerichteten Rechercheprojekts: Neben der Gruppe von Tänzer*innen, mit denen sie zusammenarbeitet, sind ein Manifest, Scores, geschriebene Reflexionen, Videoaufnahmen aus der Studiorecherche sowie eine als Road Map betitelte Übersicht zu finden.

Das erste Kapitel des Rechercheprojekts war dem Thema Virtuosität gewidmet. Von Interesse für die Choreografin und Regisseurin war dabei die Befragung der derzeitigen Standards von Virtuosität und die Suche nach einer damit einhergehenden möglichen Neudefinition der Bedeutung von Virtuosität im zeitgenössischen Tanzfeld. Mit dem zweiten Kapitel soll das bisher erarbeitete Wissen vertieft und weitere Perspektiven miteinbezogen werden – insbesondere in Bezug auf die Fragen „Wie können wir Körper unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Fähigkeiten einbeziehen und wertschätzen? Wie können wir diese Körper gleichermaßen wertschätzen?“

Die Plattform besticht durch einen methodisch durchdachten und klar strukturierten Aufbau und stellt einen schönen Zugang im Kontext des „Artistic Research“ im zeitgenössischen Tanzfeld dar. Sie zeigt deutlich auf, wie groß das Weiterentwicklungspotenzial von Cristina D’Albertos Forschungsansatz ist, um neue Themenfelder zu erschließen und körper- bzw. bewegungspezifisches Wissen zu generieren, zu sammeln und in einem innovativen digitalen Format weiter zu vermitteln.

Der Mehrwert der Plattform gründet sich einerseits darauf, neue Tools und Praktiken für Tanzschaffende bereitzustellen. Neben diesen künstlerischen und tanzpraktischen Erkenntnissen, ist andererseits gerade der generationenübergreifende Ansatz, durch das Tänzer*innen-Netzwerk Unterstützung zu bieten, ein wichtiger und auf Austausch und Breite ausgerichteter Beitrag für die Münchner Tanzszene. Die Jury befürwortet Cristina D’Albertos Antrag und empfiehlt ein Arbeitsstipendium in Höhe von 8.000 Euro.

Diego Tortelli & Miria Wurm GbR: PSYCHO – Eine Recherche zum Atem-Körper-Verhältnis

Diego Tortelli und Miria Wurm, ein herausragendes Team in der Münchner Tanzszene, hat sich durch ihre innovativen und tiefgehenden Ansätze etabliert. Ihr neuestes Projekt "PSYCHO - Eine Recherche zum Atem-Körper-Verhältnis" zielt darauf ab, das oft unterschätzte, aber essentielle Zusammenspiel von Atem und Körper im Tanz zu untersuchen. Dieses Vorhaben basiert auf einer konkretisierten Fragestellung, die sich mit den psychophysiologischen Aspekten des Atmens und dessen Auswirkungen auf körperliche Bewegungen und Performances beschäftigt.

Besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit namhaften Interviewpartner*innen aus verschiedenen Disziplinen, die Diego Tortellis und Miria Wurms Forschung bereichern und vielfältige Perspektiven einbringen werden. Durch diese interdisziplinäre Herangehensweise verspricht das Projekt, neue Erkenntnisse zu generieren, die weit über den Tanz hinausgehen und auch in Bereichen wie Medizin, Psychologie und Sport relevant sind.

Gemeinsam haben sie bereits mehrfach ihre Fähigkeit bewiesen, innovative und tiefgründige Projekte zu realisieren, die sowohl das Publikum als auch die Fachwelt begeistern.

Die Jury ist überzeugt von der Bedeutung und dem Potenzial dieser Recherche. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Atem-Körper-Verhältnis ist ein vielversprechender Ansatz, der nicht nur die Tanzpraxis bereichern, sondern auch neue Wege in der künstlerischen Forschung eröffnen kann. Die Jury empfiehlt daher, das Vorhaben mit einem Arbeits- und Fortbildungsstipendium in Höhe von 8.000 Euro zu unterstützen.
 

Sahra Huby: The Atlas Project: Living archive and dance practice

Sahra Huby ist durch ihre eigenen Arbeiten wie das andauernde Performance-Projekt „Dance Kitchen“ und ihre enge Zusammenarbeit mit der Choreografin Anna Konjetzky nicht nur auf der Bühne, sondern auch in diversen Forschungs- und Austauschfomaten, eine wesentliche Akteurin der Münchner Tanzszene. Gemeinsam mit Anna Konjetzky, Quindell Orton und Susanne Schneider leitet Sahra Huby das Studio Playground im Kreativquartier in München. In ihrer künstlerischen Arbeit setzt sich Huby seit Jahren intensiv und innovativ mit der Befragung des Körpers nicht nur aus tänzerischer Perspektive auseinander. Das beantragte Stipendium soll Huby nun ermöglichen, das bereits im Jahr 2021 mit der Recherche „other bodies / new cartographies“ begonnene Forschungsprojekt „The Atlas Project“ weiterzuentwickeln. Dabei wird das Konzept des menschlichen Körpers und seine Repräsentation in der westlichen Gesellschaft hinterfragt und untersucht, wie diese Repräsentation die Art und Weise beeinflusst, wie wir über den Körper denken. Um das Verständnis des Körpers zu erweitern, erprobt und erforscht Huby durch die Verwendung von neuen Terminologien und visuellen Darstellungen neue Körperteile und -konzepte. Dafür nutzt sie neben tänzerischen Mittel auch Zeichnungen und die Technik der Stop-Motion, um durch Mappings die Darstellung und Wahrnehmung des menschlichen Körpers zu hinterfragen. Dieser Ansatz soll nun durch die Zusammenarbeit mit diversen Künstler*innen über Hubys eigenen Körper hinaus erweitert werden. Durch den Einbezug von Menschen mit anderer Geschlechtsidentität, anderer Ethnizität, anderem Altern, anderen Anatomien oder mit Behinderungen sollen neue Perspektiven in Hubys Forschung integriert werden und ein wachsendes „Körper-Archiv“ aufgebaut werden. Hubys Arbeit schafft einen wichtigen Raum zur Entdeckung und Anerkennung der Komplexität, Vielfalt und Zeitlichkeit von Körpern. Die Jury sieht in Hubys Vorhaben einen entscheidenden Mehrwert für die Entwicklung eines breiteren Körperverständnis und spricht sich für die Vergabe eines Arbeits- und Fortbildungs­stipendium in Höhe von 8.000 Euro aus.
 

Judith Hummel: Tanzen, tanzen, tanzen, alle, alle tanzen!

Die Münchner Choreografin und Performerin Judith Hummel legt seit ihrem 2023 absolvierten Masterstudiengang MA CoDe an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main einen verstärkten Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit auf Tanzvermittlung. Eine besondere Bedeutung hat in diesem Kontext ihre Begegnung mit der körperlich beeinträchtigten tschechischen Tanzschaffenden Markéta Stránská, die ihre Überzeugung verstärkt hat, wie wichtig vertiefende Begegnung und künstlerischer Austausch in und mit inklusiven Gruppen sind. Hummel plant eine nachhaltige und langfristige Kooperation einzugehen, die länderübergreifend und Netzwerk erweiternd ist und die Erarbeitung innovativer inklusiver Tanzunterrichte beinhaltet. Zentrale Fragestellungen dieses Arbeits- und Fortbildungsstipendiums werden sein, wie sich eine bestmögliche schulische und berufliche Integration wie auch soziale Teilhabe körperlich wie geistig beeinträchtigter Menschen (insbesondere Kinder und Jugendlicher) bewerkstelligen lässt. Aufgrund dieses immanent wichtigen und überaus aktuellen Themas, das für Nachhaltigkeit und Integration steht, empfiehlt die Jury das Recherche- und Arbeitsvorhaben der Künstlerin mit einem Arbeits- und Fortbildungsstipendium in Höhe von 8.000 Euro zu fördern.
 

Jasmine Ellis Projects gUG: I am Jasmine Ellis

Jasmine Ellis hat sich mit ihrem multidisziplinären Team und ihrem spartenübergreifenden Umgang mit Bewegung, Körpersprache, Text und Musik über Jahre zu einer wichtigen Stimme in der Münchner Tanzszene entwickelt. Nun will sich Ellis in ihrem Recherchevorhaben mit dem Medium Social Media auseinandersetzen und anschließend an ihre vorherige Arbeit „Reality Warping“ das Verhältnis zwischen der digitalen Existenz und dem analogen Selbst erforschen. Das Rechercheprojekt „I am Jasmine Ellis“ soll die konstruierten Erzählungen und Persönlichkeiten erfolgreicher Künstler:innen erkunden, frei nach dem Motto „Forget yourself and present what you want to be“. Die Vorstellung, dass Künstler*innen zur Steigerung ihres Marktwerts stets online präsent sein sollten, wird kritisch hinterfragt. In Zusammenarbeit mit Akteur*innen des Netzwerks Münchner Theatertexter*innen, einem Content Creator und Filmemacher und vier Performer*innen sollen in einer intensiven Recherchephase kuratierte Versionen der Künstlerin Jasmine Ellis erschaffen werden. Die entwickelten Alter Egos und die zugehörigen textlichen und visuellen Inhalte werden anschließend von den vier Performer*innen jeweils einen Monat auf den Social Media-Kanälen der „echten“ Jasmine Ellis verkörpert. So soll ein Social Media-Projekt entstehen, welches die Choreografin Jasmine Ellis präsentiert, ihre künstlerische Arbeit und Praxis befragt und mit den Follower*innen interagiert. Um das Projekt abzuschließen, greift Jasmine Ellis auf ihr gut vertrautes Medium Film zurück und konstruiert aus dem Social Media-Content eine künstlerische Dokumentation des Projekts. Jasmine Ellis verfolgt mit ihrem Recherchevorhaben konsequent ihren etablierten multidisziplinären und kollaborativen Ansatz und erweitert ihren Fokus auf das Themenfeld der sozialen Medien. Die Jury sieht vor allem in der geplanten Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Münchner Theatertexter*innen einen neuen, förderungswürdigen Ansatz in ihrer Arbeit und empfiehlt daher die Vergabe eines Arbeits- und Forschungsstipendiums in Höhe von 8.000 Euro.
 

Jin Lee: Erforschung des Themas unverarbeitete generationenübergreifende Trauer/Traumata

Jin Lee, die mit einem sehr überzeugenden Debüt in der Münchner Tanzszene auf sich aufmerksam gemacht hat, setzt ihre künstlerische Reise mit einem tiefgründigen und bedeutsamen Vorhaben fort. In ihrer neuen Arbeit widmet sie sich der Erforschung unverarbeiteter, generationenübergreifender Trauer und Traumata. Dieses Thema ist von großer gesellschaftlicher Relevanz und erfordert eine sensible sowie professionelle Herangehensweise.

Als Tänzerin, die bereits intensiv in der Szene arbeitet, bringt Jin Lee die notwendige Erfahrung und das Einfühlungsvermögen mit, um sich mit diesen komplexen Emotionen auseinanderzusetzen. Ihre Fähigkeit, eine professionelle Distanz zu diesem schwierigen Thema aufzubauen, ermöglicht es ihr, die emotionalen Tiefen auszuloten, ohne dabei die künstlerische Integrität zu gefährden.

Lees Vorhaben verspricht nicht nur eine tiefgehende künstlerische Erforschung, sondern auch wertvolle Erkenntnisse, die sowohl für die Tanzszene als auch für das Verständnis psychologischer und sozialer Dynamiken von Bedeutung sind. Die Auseinandersetzung mit generationenübergreifenden Traumata wird durch ihre einzigartige Perspektive als Tänzerin bereichert und bietet die Möglichkeit, neue narrative und performative Ansätze zu entwickeln.

Die Jury ist beeindruckt von Jin Lees bisherigen Leistungen und dem Potenzial ihres neuen Projekts. Ihre Fähigkeit, komplexe und sensible Themen künstlerisch zu bearbeiten, hebt sie als eine bedeutende Stimme in der Tanzszene hervor. Die Jury empfiehlt daher, das Vorhaben mit einem Arbeits- und Fortbildungsstipendium in Höhe von 8.000 Euro zu unterstützen.
 

Quindell Orton: Animalisation (AT)

Tänzer*in und Choreograf*in Quindell Orton begeisterte im Rahmen des ersten Go drag! Munich-Festivals im Mai 2024 in „Making of a Man“ mit einer hochintelligenten Tanz- und Lectureperformance in einer Mischung aus Humor und intimer Körperlichkeit. Nach der Beschäftigung mit der Dekonstruktion patriarchaler und geschlechtsessentialistischer Strukturen möchte Orton in dem eingereichten Projektvorhaben nun die Auswirkungen von Animalisierung in Bezug auf die Verkörperung von Geschlecht und Sexualität erforschen. „Animalisierung“ beschreibt Orton als den Akt, eine andere Person dazu zu bringen, sich wie ein Tier zu verhalten, abzubilden oder darzustellen. Orton möchte untersuchen, welche Körper mit welchen Tieren assoziativ verknüpft sind und auf welche Körpermerkmale diese zurückzuführen sind, welche Auswirkungen Animalisierung auf die Wahrnehmung bestimmter Menschen hat und welche Machtstrukturen damit verwoben sind. In einem dreiteiligen Arbeitsprozess wird Orton gesammelte Referenzmaterialien körperlich übersetzen, mit dem Einfluss einer Live-Kamera experimentieren und die Ergebnisse im Kontext von „Queering“ und Wiederaneignung in Workshops weiterverarbeiten. Die Jury ist überzeugt von Ortons ganzheitlicher Herangehensweise, in der individuelle Recherche, künstlerischer Austausch, technische Experimente und Reflexionsvorhaben ineinandergreifen. Aus diesem Grund empfiehlt die Jury, das Vorhaben mit einem Arbeits- und Forschungsstipendium in Höhe von 8.000 Euro zu unterstützen.

  • 2023
    Manasvini K. Eberl; Stephanie Felber; Lena Grossmann; Stephan Herwig; Judith Hummel; Nicola Kötterl; Playground GbR
  • 2022
    Alina Belyagina, Léonard Engel, Judith Hummel, Kathrin Knöpfle, Sabine Karb, Simone Lindner-Bungert, Katja Wachter,
  • 2021
    Callie Arnold, Sophie Becker, Sahra Huby, Kolja Huneck, Carolin Jüngst, Quindell Orton, Susanne Schneider, Lucy Wilke
  • 2020
    Sandra Chatterjee, Leonard Engel, Angela Guerreiro, Mario Lopes Vieira da Silva, Ceren Oran, Zufit Simon, Alfredo Zinola
  • 2019
    Ingeborg Maria Engel, Sabine Glenz, Martina La Ragione, Katrin Schafitel, Rosalie Wanka
  • 2018
    Sandra Chatterjee, Léonard Engel, Stephanie Felber, Ceren Oran
  • 2017
    Anna Donderer, Judith Hummel, Katrin Schafitel, Zufit Simon
  • 2016
    Stephanie Felber, Sarah Huby, Mia Lawrence, Ceren Oran
  • 2015
    Stephan Herwig, Sarah Huby, Judith Hummel, Alfredo Zinola
  • 2014
    Annett Göhre, Yvonne Pouget, Micha Purucker, Mey Sefan, Sarah Israel (Debütförderung)

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