Gesamtplan zur Integration von Flüchtlingen
Der „Münchner Weg“ der Flüchtlingspolitik: Von der Projektentstehung über die Umsetzung bis zum Abschlussbericht hin zu den Perspektiven.
Druckversionen und Projektabschlussbericht
Druckversionen des Gesamtplans zur Integration von Flüchtlingen sowie des Projektabschlussberichts bestellbar bei: interkulturellearbeit.soz@muenchen.de
Entstehung des Projektes
2015 war ein Jahr voller Herausforderungen: In Deutschland wurden rund 890.000 Personen neu als asylsuchend registriert – so viele wie noch nie. Nach München kamen zwischen 2014 und Juni 2019 rund 14.700 Geflüchtete. Anfang 2016 sanken die Einreisen in Deutschland und damit auch in München. In der Folge verschob sich der Fokus von der Unterbringung hin zur Integration der geflüchteten Menschen.
Die große Zahl der Geflüchteten, die nach München kamen, erfordert eine genaue Betrachtung, welche Integrationsangebote bestehen und welche offenen Bedarfe es gibt. Deshalb hat Oberbürgermeister Dieter Reiter im Januar 2016 den Gesamtplan zur Integration von Flüchtlingen initiiert. Im Juli 2016 beauftragte der Stadtrat die Verwaltung mit der Bearbeitung des nun vorliegenden Gesamtplans zur Integration von Flüchtlingen. Am 06.03.2018 wurde er in der Vollversammlung des Stadtrates verabschiedet. Für dessen Erarbeitung und Begleitung wurde ein stadtweites Projekt eingerichtet, das bis Ende 2019 lief. Es wurde von einem Projektteam, das bei der Stelle für interkulturelle Arbeit angesiedelt ist, geleitet.
„Münchner Weg“ der Flüchtlingspolitik
Im Kern ging es im Gesamtplan zur Integration von Flüchtlingen um die Fragen: Was kann bzw. muss in München getan werden, um geflohene Menschen frühzeitig und nachhaltig in die Stadtgesellschaft zu integrieren? Wie kann ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden? Was ist notwendig, um den sozialen Frieden in der Stadt zu sichern?
Das hohe Engagement für Geflüchtete in München baut auf einer langen Tradition auf. Bereits in den 1990er Jahren zeichnete sich eine eigene, kommunale Flüchtlingspolitik ab. Der sogenannte Münchner Weg geht davon aus, dass die Integration ab Tag eins des Ankommens in München einsetzen muss. Geflüchtete sind ab dem ersten Tag Teil dieser Stadtgesellschaft, unabhängig davon, ob sie dauerhaft hier bleiben können bzw. wollen. Es wurde außerdem das Motto „Integration auf Zeit“ geprägt. Dabei sind auch diejenigen im Blick, die keinen festen Aufenthalt bekommen und damit nur vorübergehend in München sind.
Struktur des Gesamtplans
Im Rahmen des Gesamtplan zur Integration von Flüchtlingen wurden fünf Arbeitsgruppen, eine Koordinierungsgruppe sowie ein stadtweites Lenkungsgremium eingerichtet.
Die fünf Arbeitsgruppen bestanden aus denjenigen Mitarbeitenden der Verwaltung, die für das Handlungsfeld relevant sind. Zudem wurden weitere interne und externe Akteurinnen und Akteure einbezogen. Die Koordinierungsgruppe wirkte als zusammenführendes Gremium, während das stadtweite Lenkungsgremium eine Brücke zur Stadtpolitik bildete. Außerdem wurde die AG Spezifische Bedarfe tätig, die sich mit spezifischen Gruppen der Geflüchteten beschäftigte.
Arbeitsweise
Die Inhalte des Gesamtplan zur Integration von Flüchtlingen wurden von monatlichen Arbeitsgruppen in den Handlungsfeldern erarbeitet. Diese berücksichtigen das Ehrenamt als Querschnittsthema. Zu Sonderthemen fanden Workshops statt, an denen Personen und Institutionen einmalig beteiligt waren. Dabei wurden partizipative Methoden, wie etwa ein World Café (PDF, 5307 KB) im Alten Rathaus, genutzt. Ziel war es, möglichst viele Beteiligte aus Zivilgesellschaft und Geflüchtete ins Gespräch zu bringen.
Handlungsbedarfe
Im Projektverlauf wurden bestehende Maßnahmen und Angebote zur Integration von Geflüchteten erhoben. Dabei wurden Lücken identifiziert und Handlungsbedarfe formuliert. Bis Projektende wurde an der Umsetzung der Bedarfe gearbeitet.
Datenbasis
Planung erfordert Daten
Die Planung von Integrationsmaßnahmen erfordert einen Überblick über möglichst alle Geflüchteten auf dem Münchner Stadtgebiet. Hier bestand jedoch eine Lücke. Zwar gab es Daten in verschiedenen öffentlichen Bereichen, allerdings waren diese nicht miteinander vergleichbar. Im Rahmen des Gesamtplan zur Integration von Flüchtlingen wurde ein neues Verfahren erarbeitet. Damit stehen aussagekräftige und ausdifferenzierte Daten zu geflüchteten Menschen in München zur Verfügung. Die neuen Daten im Gesamtplan zur Integration von Flüchtlingen stammen aus dem Ausländerzentralregister und wurden vom Statistischen Amt der Stadt München aufbereitet.
Berücksichtigung aller Geflüchteten
Integration endet nicht mit dem Abschluss des Asylverfahrens. Es ist daher wichtig, möglichst alle Geflüchteten in den Blick zu nehmen. Das gilt auch für diejenigen mit einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis und einer sogenannten Duldung. Die Datenauswertung im Gesamtplan zur Integration von Flüchtlingen berücksichtigt daher für München erstmals alle relevanten aufenthaltsrechtlichen Status, deren Inhaber*innen Fluchthintergrund haben (können).
Handlungsfelder und Querschnittsthema Bürgerschaftliches Engagement
- Handlungsfeld 1 - Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Unterkünften / Gesellschaftliche Teilhabe im Sozialraum
- Handlungsfeld 2 - Bildung und Erziehung
- Handlungsfeld 3 - Integration durch Beratung, Bildung, Ausbildung mit Deutschspracherwerb
- Handlungsfeld 4 - Qualifizierung und Arbeitsmarkt
- Handlungsfeld 5 – Wohnen
- Bürgerschaftliches Engagement (BE)
Abschlussbericht und Perspektive
Zum Ende des Projektzeitraums wurde ein Abschlussbericht erarbeitet und vom Stadtrat am 18.12.2019 verabschiedet. Der Bericht fasst zusammen, welche der im Projekt identifizierten Bedarfe umgesetzt wurden oder sich in der Umsetzung befinden bzw. welche Gründe dafür bestehen, dass bestimmte Maßnahmen nicht umgesetzt werden konnten.
Die für das Projekt etablierte Struktur der Zusammenarbeit bildet eine gute Ausgangsbasis, um den ständigen Veränderungen im Bereich Flucht/ Asyl gut begegnen zu können.
Handlungsfelder
Handlungsfeld 1 - Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Unterkünften / Gesellschaftliche Teilhabe im Sozialraum
Unterkünfte für Geflüchtete sind Kristallisationspunkt für gesellschaftliche Auseinandersetzung: Dort leben Menschen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft, verschiedener Glaubensrichtungen, Frauen und Männer, Hetero- und Homosexuelle sowie Transgender, Menschen mit und ohne Behinderung, Traumatisierte, junge und alte Menschen sowie Familien und Alleinstehende. Die gemeinsame Unterbringung dieser vielfältigen Personen erfordert eine umfangreiche Betreuung und Beratung.
Integrationsprozesse finden oftmals im Sozialraum statt. Ehrenamtliches Engagement spielt dabei eine wichtige Rolle. Es ist deshalb wichtig, Begegnungsorte und -möglichkeiten zu schaffen, an denen sich Geflüchtete und Menschen, die schon länger hier leben, austauschen können.
Handlungsbedarfe, zum Beispiel:
- Schaffung von zielgruppenspezifischen Unterbringungsplätzen;
- Entwicklung eines umfassenden Schutzkonzepts;
- Vermittlung politischer Teilhabemöglichkeiten an Geflüchtete.
Handlungsfeld 2 - Bildung und Erziehung
Bildung ist der Schlüssel, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben und Zugang zum Arbeitsmarkt finden zu können. Für geflüchtete Mädchen und Jungen schafft der Besuch einer Schule oder Kindertagesstätte eine Zukunftsperspektive. Er bedeutet außerdem Normalität, Sicherheit und Verlässlichkeit in ihrem Alltag. Bildung dient nicht nur der Wissensvermittlung, sie stärkt auch die persönliche Entwicklung und fördert vielfältige Kompetenzen. Die Übergänge zwischen Kindertagesbetreuung und den verschiedenen Schulformen erscheinen geflüchtete Menschen teilweise sehr schwierig. Aber auch das pädagogische Personal sieht sich neuen Herausforderungen gegenüber. Diese müssen in Aus- und Weiterbildung einfließen.
Handlungsbedarfe, zum Beispiel:
- Ausbau von integrationsbegleitenden Angeboten in der Kinderbetreuung;
- Erarbeitung eines Elternbildungskonzepts für Familien mit Fluchthintergrund;
- Ausbau der Schulsozialarbeit für Kinder und Jugendliche mit dem Fokus Fluchthintergrund.
Handlungsfeld 3 - Integration durch Beratung, Bildung, Ausbildung mit Deutschspracherwerb
Das Erlernen der deutschen Sprache, (nachholende) Bildung und Ausbildung ermöglichen es Geflüchteten, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Ihre schulische Bildung und Deutschkenntnisse sind unterschiedlich. Die Fluchterfahrung und eingeschränkte Bildungsmöglichkeiten im Herkunftsland können jedoch zu einer sehr hohen Bildungsmotivation führen. Die Erfolgsaussichten sind am höchsten, wenn die Bildungsschritte aufeinander aufbauen und ein breiter Zugang gewährleistet ist. Der Erwerb von Deutschkenntnissen und der Zugang zu Bildung und Ausbildung ist allen Geflüchteten zu ermöglichen. Der Aufenthaltsstatus und die Bleibeperspektive sollten dabei keine Rolle spielen. Dadurch kann der soziale Frieden innerhalb der Unterkünfte und in der Stadtgesellschaft gestärkt werden.
Handlungsbedarfe, zum Beispiel:
- Weiterentwicklung des städtisch finanzierten Deutschkursangebotes;
- Koordinierte Begleitung von Geflüchteten im Sinne eines Übergangsmanagements bis zum Ausbildungsabschluss;
- Erwerb von Qualifizierungsbausteinen für Personen, die keine anerkannte Berufsausbildung durchlaufen können.
Handlungsfeld 4 - Qualifizierung und Arbeitsmarkt
Wie der Zugang zum Arbeitsmarkt für geflüchtete Menschen beschaffen ist, hängt in erster Linie von ihrem aktuellen Aufenthaltsstatus ab. Diese Problematik ist in München von besonderer Bedeutung: Der Großteil der Geflüchteten, die aktuell in die Stadt kommen, stammen aus Ländern mit einer sogenannten geringen Bleibeperspektive. Somit sind sie von Maßnahmen des Bundes ausgeschlossen. Dies muss von der Kommune aufgefangen werden, denn erfahrungsgemäß bleibt diese Personengruppe aus unterschiedlichen Gründen längerfristig in München. Da in der Stadt vor allem (hoch)qualifizierte Arbeitskräfte gesucht werden, besteht insgesamt ein großer Bedarf, die geflüchteten Menschen zu qualifizieren.
Handlungsbedarfe, zum Beispiel:
- Erarbeitung von (theoriereduzierten) Qualifizierungsangeboten für Geflüchtete mit geringer Schulbildung und / oder geringen Lernkompetenzen;
- Angebot von Teilqualifizierungen für über 25-Jährige, für die eine traditionelle Berufsausbildung nicht infrage kommt.
- Vermittlung in Arbeit all jener, die noch im Asylverfahren sind, die jedoch von der Zuständigkeit der Agentur für Arbeit ausgeschlossen sind.
Handlungsfeld 5 - Wohnen
Wohnen hat eine überaus große Bedeutung für die gesellschaftliche Teilhabe, Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit. Eine eigene Wohnung zu haben, bedeutet für Geflüchtete in dem Ort, an dem sie in Deutschland leben, angekommen zu sein. Für sie ist es in der Regel äußerst schwierig, auf dem regulären Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden. Die Wohnbevölkerung Münchens wächst sehr stark. Deshalb müssen die Bemühungen, dauerhaften Wohnraum zu schaffen und zu sichern, weiter verstärkt werden. Auf diese Weise können Konkurrenzen auf dem Mietmarkt verringert werden.
Handlungsbedarfe, zum Beispiel:
- Wohnraumschaffung für u.a. Geflüchtete mit über die Stadt verteilten Wohnanlagen;
- Haushalte sollen mit dem Stadtteil vertraut gemacht und Zugang zu verschiedenen spezifischen Hilfsangeboten ermöglicht werden;
- Entwicklung eines Übergangsmanagements von der Unterbringung ins dauerhafte Wohnen.
Bürgerschaftliches Engagement (BE)
Bürgerschaftlich Engagierte ergänzen staatliches Handeln und hauptberuflich Tätige - ohne diese zu ersetzen. Das BE trägt somit auch dazu bei, dass die Stadt München aktuelle Bedarfe frühzeitig erkennen und rechtzeitig darauf reagieren kann. Ehrenamtliche betätigen sich in vielfältigen Bereichen. Dabei benötigen und erwarten sie fachliche Beratung sowie Angebote zum Austausch und zur Information. Auch eine professionelle Begleitung sowie Qualifizierung und Fortbildung spielen eine wichtige Rolle.
Handlungsbedarfe, zum Beispiel:
- Ausbau von Qualifizierungsangeboten für Ehrenamtliche;
- Stärkung der Arbeit des Muslimrats im Bereich Integration und Geflüchtete;
- Aufbau von längerfristig angelegten Kooperationen zwischen Unterkünften, Stiftungen, Unternehmen und Initiativen des BE.