Einzelprojektförderung für Freie Theaterschaffende

Professionell arbeitende Künstler*innen und Gruppen können eine Projektförderung im Bereich Theater beantragen.

Über die Förderung

Gefördert werden die Vorhaben professionell arbeitender Künstler*innen und Gruppen, die bereits erste künstlerische Erfolge in den freien darstellenden Künsten vorweisen. Die Projekte sollen über einen eigenständigen ästhetischen Ausdruck verfügen, relevante Diskurse der Gegenwart reflektieren und eine Bereicherung für die freie Münchner Szene darstellen.

Die maximale Förderungshöhe für Einzelprojekte beträgt 100.000 Euro. Es erfolgt eine Förderung der Produktion und einer begrenzten Zahl von Aufführungen. Komplementärfinanzierungen sind schlüssig nachzuweisen.

Die Förderung richtet sich an Künstler*innen aller Altersgruppen, für den Beginn der künstlerischen Laufbahn ist die Debütförderung vorgesehen.

Die Einzelprojektförderung für Freie Theaterschaffende haben erhalten

Exner, Oliver: GEMUSICAL

Choreograph Oliver Exner und das Kollektiv notsopretty, das sich bereits wiederholt künstle­risch mit Selbstdarstellung und Identitätskonstruktion auseinandergesetzt hat, wollen mit GEMUSICAL ein Musical zur Geschichte der Kartoffel erarbeiten. In diesem sollen musika­lisch und performativ Praktiken der kulturellen Aneignung, Verschleierung von Geschichte und De-Legitimation von oralen Traditionen verhandelt werden. Kern vergangener Arbeiten war dabei (Pop-)Musik, die hier nun in Form eines Musicals erneut zum Tragen kommt. Überzeugt haben die Jury zum einen die politische Tragweite des Vorhabens: (Post-)kolonia­le Strukturen sichtbar zu machen in und mittels aktueller globaler Ernährungspolitik, sowie die dazu angestrebte Mehrsprachigkeit auf der Bühne als kluge Vielstimmigkeit. Zum ande­ren hat die dafür angedachte Form des Musicals überzeugt: Die musikalische, popkulturelle Auseinandersetzung mit diesem Thema und die geplanten Kooperationen – mit u.a. Ringlok­schuppen Ruhr Mülheim & Theater im Depot Dortmund – verheißen nicht nur eine spannen­de Erweiterung des Repertoires der Freien Szene Münchens, sondern auch eine verbesserte Zugänglichkeit zu einem herausfordernden Thema. Die Fachjury empfiehlt daher die Förde­rung dieses Projekts rund um Themen wie kulturelle Aneignung, Kolonialismus und globale Abhängigkeiten in Höhe von 25.000 Euro.

Freie Bühne München: Der gelbe Klang (AT)

Inklusives Theater konnte sich in den vergangenen Jahren in Form der Freien Bühne München weiter institutionalisieren und vernetzen. Das Ausdrucksspektrum der freien Theaterszene hat sich damit entschieden erweitert und geöffnet. Mit der neuen Produktion „Der gelbe Klang“ wird die Freie Bühne ihre Arbeit ästhetisch und formal neu ausrichten und erneut Schauspieler*innen der eigenen Ausbildung an den Bereich des professionellen Theaters heranführen. Der Antrag überzeugte die Jury durch die umfangreiche Vorarbeit und gute Begründung des Vorhabens. Sie empfiehlt eine Förderung in Höhe von 99.983,96 Euro.

Futur X GbR: rememory (AT)

Die künstlerische Annäherung an den Vorgang des Erinnerns ist nicht neu, findet aber im vorgelegten Antrag für das Projekt mit dem Arbeitstitel "rememory" einen innovativ eigenen und zeitgemäßen Ansatz. Gefördert durch ein Recherchestipendium des Fonds Darstellende Kunst im Rahmen von Neustart Kultur haben die Münchner Theaterkünstler*innen des 2020 gegründeten Theaterkollektivs Futur X GbR die Idee zu einem Erinnerungsarchiv ausgear­beitet und ihren Fokus auf die Erforschung der Frage gelegt, wie Erinnerung vor allem auch vor dem Hintergrund des digitalen Zeitalters funktioniert. Interessant ist dabei nicht nur die Wahl der theatralen Mittel, durch die gesammelte Erinnerungsstücke mit Partizipation des Publikums inszeniert werden sollen, sondern auch das Ziel der beteiligten Künstler*innen, die größtenteils der jungen Generation Ende zwanzig angehören, ein kollektives Erinnern über alle Altersstufen hinweg herzustellen, welches in Bewegung ist und ganzheitlich über menschliche Sinneswahrnehmung erfahrbar wird. Dafür bringt das Team sein Wissen und Können aus den verschiedenen Sparten interdisziplinär mit ein: Für die Herstellung einer im­mersiven Installation, die den verschiedenen Möglichkeiten von Assoziation und Erinnerung Raum gibt. Eine digitale Archivierung ist geplant, ebenso kann die Installation als flexibles Modul an verschiedenen Orten lokal angepasst eingesetzt werden. Das Konzept macht neu­gierig auf die Umsetzung. Die Jury empfiehlt die Förderung des Projekts in Höhe von 85.300 Euro.

Gorelik, Lena: DREI kleine SCHWEINE im KRIEG

Die vielfach für ihr Schreiben ausgezeichnete Münchner Autorin und Journalistin Lena Gore­lik und ihr künstlerisches Team interpretieren in "DREI kleine SCHWEINE im KRIEG" das be­kannte Märchen "Die drei kleinen Schweinchen" neu. Auf Basis autobiographischer Erfah-rungen der belarussischen Dramatikerin Olga Prusak, Stipendiatin des Netzwerks Münchner Theatertexter*innen, wird die Handlung im heutigen Belarus angesiedelt. Schauplatz ist ein kleines Puppentheater in der Provinz, in dessen Mikrokosmos die Konflikte um die persön­lichen Haltungen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kulminieren und das Theater­ensemble zutiefst und unversöhnlich spalten in ein pro-russisches und pro-ukrainisches Lager, mit allen Konsequenzen wie Verbleiben in einer Diktatur auf der einen und Exil oder Inhaftie­rung auf der anderen Seite. Metaphorisch wird die Handlung über ein Puppenspiel, in dem das Märchen der drei Schweine aufgegriffen wird, auf die drei benachbarten Staaten Russ­land, Ukraine und Belarus, ihre Rollen im Ukraine-Krieg sowie ihre Entwicklung nach dem Ende der UdSSR übertragen. Die existentielle Entscheidung innerhalb der Zivilbevölkerung zu einer politischen Haltung in diesen drei Gesellschaften fragt auch nach einer Verantwor­tung der Kunst und lotet deren Möglichkeiten aus, demokratische Werte aufrecht erhalten zu können. Welche Verantwortung hat Kunst? Das Stück analysiert die inneren Konflikte und den Verlust einer freien Kunstszene in Belarus, und regt durch die Übertragung auf eine all­gemeingültige Ebene die Diskussion darüber beim hiesigen Publikum an (ein begleitendes Diskursprogramm ist geplant). Die verschiedenen Ebenen von Form und Inhalt, die doku­mentarisches und (Puppen)Spiel miteinander verweben, die klug gewählte Konstellation des künstlerischen Teams und die drängende Aktualität der Thematik haben die Jury überzeugt. Daher wird eine Förderung in Höhe von 99.500 Euro empfohlen.

Gremmer, Verena: Frauen* und Drag

Verena Gremmer alias Ruby Tuesday erarbeitet mit der geplanten Performance "Frauen* und Drag" eine theatrale Umsetzung, in der Drag als besondere Kunstform der Geschlech­ter-Überzeichnung und die oft im Hintergrund der queeren Szene stehenden Drag Kings eine Bühne bekommen und in der öffentlichen Wahrnehmung deren Vielfalt und kulturelle Veran­kerung spiegeln. Drag eröffnet Möglichkeiten, mit Geschlechterbildern auf der Ebene der Unterhaltungskunst zu brechen: Die Mischung aus Show, Variété und Burlesque zeichnet selbstbewusst die verschiedenen Facetten des Oberbegriffs "Queerness" nach und verortet sie als demokratische Kunstform, die alle anspricht und Vorurteilen entgegenwirkt. Auf unter­haltsame Weise zu zeigen, dass Identität geschlechterübergreifend und über jede sexuelle Orientierung hinaus ein individueller kreativer, höchst subjektiver Prozess ist, hält die Jury für einen wichtigen Beitrag im kulturellen Diskurs der Stadt München, auch als Teil der geplan­ten ersten Münchner Ausgabe des godrag!-Festivals. Daher befürwortet sie die beantragte Förderung in Höhe von 7.900 Euro.

Hollinger, Ines, Wirth, Lucy: Penis eine Umarmung (AT)

In ihrer Produktion „Penis – eine Umarmung (AT)“ versuchen die beiden ‚hetero-romanti­schen cis-Frauen‘ und Theaterkünstlerinnen eine szenische Annäherung an das Thema Männlichkeit, symbolisiert durch eine durchaus verletzliche Zimmerpflanze auf der ansonsten kargen Bühne. Die Bandbreite reicht dabei von scheiterndem Verstehen, über eine sinnlose Verehrung bis hin zur unmöglichen Verkörperung – schöpft also alles aus, was der fiktive Bühnenraum ermöglicht. Das Konzept überzeugt die Jury nicht zuletzt deshalb, weil hier auf politisch vermintem Terrain sofort ein eigener theatraler und mithin sensueller Zugang er­sichtlich wurde, der verspricht, neue Zwischentöne im Genderdiskurs zu Gehör zu bringen. Sie empfiehlt eine Förderung in Höhe von 67.885 Euro.

Obermayer, Lulu: Rachel und ich

Lulu Obermayer hat in ihren Arbeiten in der Freien Szene immer wieder die Auseinander­setzung mit der eigenen Biografie gesucht. Das geplante Projekt „Rachel und ich“ spitzt die­se Auseinandersetzung nun radikal zu, indem Obermayer die Freundschaft zwischen der US-Amerikanerin und Nachfahrin jüdischer Auschwitz-Überlebender Rachel Troy, die als Psychotherapeutin arbeitet, und ihrer selbst als Deutsche zum Ausgangspunkt macht. Ange­strebt wird eine Verbindung von Method Acting nach Lee Strasberg und Therapie- und Per­formancetechniken, um sich dem schwierigen Komplex der Shoa und ihrer Bedeutung bis heute für die sogenannte „Dritte Generation“ gemeinsam auf der Bühne anzunähern. Die Auseinandersetzung mit diesen Leerstellen sowie die künstlerische Recherche sollen in einer intensiven und persönlichen Performance münden und intergenerationale Wunden heilen. Die Jury sieht in dem Projekt zu einem Zeitpunkt, da die letzten Zeitzeug*innen des Holocausts versterben und antisemitische Vorfälle in Deutschland zunehmen, die spannende und wichtige Aufgabe, künstlerisch-theatral einen zukunftsfähigen Dialog zu stiften und dem drohenden Vergessen eine aktive Form des Erinnerns entgegenzusetzen. Sie befürwortet daher die Förderung dieses Projekts in Höhe von 77.414,15 Euro.

Pandora Pop GbR: The Frontier (AT)

Als vor gut einem Jahr der Ravensburger Verlag ein Winnetou-Kinderbuch wegen verharm­losender Klischees vom Markt nahm, brach eine hitzige gesellschaftliche Debatte aus, in der nostalgische „I-Liebe“, Unverständnis, der Vorwurf von Zensur und Cancel Culture einerseits und der Vorwurf rassistischer Aneignungspraktiken bezogen auf die Kultur der Native Ameri­cans andererseits aufeinanderprallten. Das Performance-Kollektiv Pandora Pop, das in der Vergangenheit immer wieder durch postdramatische Zugänge zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen Beachtung fand, möchte sich dieser hitzigen Debatte annehmen und ein vielstimmiges Bild des aktuellen Diskurses um kulturelle Aneignung und Rassismus zeich­nen. Dabei gehen sie konkret von der Biografie von Edward Two-Two aus, einem auf seinen Wunsch hin in Dresden begrabenen Lakota-Sioux. Der biografisch konkret gefasste Aus­gangspunkt des Projekts soll die gedanklichen Fäden weiterziehen durch die Beleuchtung der komplexen historischen und politischen Zusammenhänge, die von eurozentristischen, weißen, rassistischen Denkmustern geprägt sind. Die Jury begrüßt ausdrücklich, dass Stim­men und Positionen von Native Americans in den Recherche- und Arbeitsprozess einbezo­gen werden sollen und erhofft sich eine vermittelnde Aufarbeitung der Sicht der Deutschen auf die Geschichte der Native Americans, die Überwindung exotisierender Projektionen und die Durchbrechung rassistischer Reproduktionsmuster. Daher empfiehlt die Jury, das Projekt in Höhe von 65.505 Euro zu fördern.

Piening, Gesche*: Sei uns sicher (AT)

Die Münchner Künstlerin Gesche Piening hat in der jüngsten Vergangenheit regelmäßig durch Hörfunk- und Audioarbeiten auf sich aufmerksam gemacht, wofür sie zahlreiche Preise bekommen hat. Als bestechend erachtet die Jury – wie auch schon in ihren früheren perfor­mativen Arbeiten – ihre stets akribische Recherche und die sinnfällige Verbindung von Form und Inhalt. Ihr aktuelles Projekt wird sich mit der veränderten Sicherheits- und Risikowahr­nehmung im 21. Jahrhundert beschäftigen. Durch soziale Einschnitte, technischen Fort­schritt, Klimawandel und Veränderungen im geopolitischen Kräfteverhältnis entstehen zuneh­mend vermeintliche Bedrohungsszenarien des individuellen Sicherheitsgefühls, was im Um­kehrschluss das Bedürfnis nach umfassender Sicherheit, sozialer Abkapselung und der Be­seitigung aller Störfaktoren erhöht. Pienings Projekt konzentriert sich im engeren Sinne auf die Privatisierung der Sicherheitsfragen im sozialen Handlungsfeld. Eine Analyse der kultu­rellen Veränderungen in Sicherheitsfragen wird dabei kombiniert mit den neuen Praktiken der individuellen Sicherheitspolitik und dem entfesselten Sicherheitskapitalismus, was in einem „Konglomerat voneinander abgekapselter Einzelräume mit performativen Eigenleben, die aufeinander Bezug nehmen“ seine ästhetische Form finden soll. Die Jury begeisterte sich für die in Aussicht gestellte komplexe Auseinandersetzung mit Veränderungsdynamiken unserer globalen Gegenwart und einer schlüssigen ästhetischen Übersetzung. Daher empfiehlt die Jury eine Förderung des Projekts in Höhe von 93.000 Euro.

  • 2023
    Freie Bühne München e.V.; Theresa Hanich; Sebastian Hirn; Caroline Kapp; Anna Kuzmenko, Anastasiya Shtemenko und Jan Struckmeier; David Moser; Keith King Mpunga; Lulu Obermayer; Julian Warner
  • 2022
    Caner Akendiz, Michael Bischoff, Sabine Herrberg, Jochen Strodthoff, Burchhard Dabinnus, Freie Bühne München, Ruth Geiersberger, Molestia e.V., Kastner, Stefan Kastner, Jan Struckmeier, Lucy Wirth

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