Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot
der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS)

vom 1. September 2021

Stadtratsbeschluss:                         28.07.2021

Bekanntmachung:                            07.09.2021 (MüABl. S. 495)

 

 

Die Landeshauptstadt München erlässt aufgrund von Art. 1 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz - ZwEWG) vom 10.12.2007

(GVBl. S. 864, BayRS 2330-11-B), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.06.2017 (GVBl. S. 182), folgende Satzung:

§ 1 Gegenstand der Satzung

(1) In der Landeshauptstadt München ist die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet (Wohnraummangellage).

(2) Die Satzung gilt für die Zweckentfremdung von frei finanziertem Wohnraum im Stadtgebiet der Landeshauptstadt München. Nicht betroffen ist Wohnraum, so lange für die*den Verfügungsberechtigte*n eine Genehmigungspflicht nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 Bayerisches Wohnraumförderungsgesetz (BayWoFG) besteht.

§ 2 Zuständigkeit

(1) Vollzugsbehörde ist das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration.

(2) Zum Vollzug gehören die Überwachung des Verbots einschließlich notwendiger Ermittlungen, der Erlass von Anordnungen zur Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands, die Erteilung einer Genehmigung oder eines Negativattests sowie die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (Art. 1, 2, 3, 4 und 5 ZwEWG, § 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht).

§ 3 Wohnraum

(1) Wohnraum im Sinne der Satzung sind sämtliche Räume, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sind. Dazu zählen auch Werks- und Dienstwohnungen sowie Wohnheime.

(2) Objektiv geeignet sind Räume, wenn sie (alleine oder zusammen mit anderen Räumen) die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglichen. Die subjektive Bestimmung (erstmalige Widmung oder spätere Umwidmung) trifft die*der Verfügungsberechtigte ausdrücklich oder durch nach außen erkennbares schlüssiges Verhalten.

(3) Wohnraum liegt nicht vor, wenn

1.     der Raum dem Wohnungsmarkt nicht generell zur Verfügung steht, weil das Wohnen in einem engen räumlichen Zusammenhang an eine bestimmte Tätigkeit geknüpft ist (z. B. Wohnraum für Aufsichtsperson auf Betriebsgelände, Hausmeister*innenwohnung im Schulgebäude),

2.     der Raum bereits seit vor dem Inkrafttreten des Verbots am 01.01.1972 und seitdem ohne Unterbrechung anderen als Wohnzwecken diente,

3.     der Raum (noch) nicht bezugsfertig ist,

4.     baurechtlich eine Wohnnutzung nicht zulässig und auch nicht genehmigungsfähig ist,

5.     ein dauerndes Bewohnen unzulässig oder unzumutbar ist, weil der Raum einen schweren Mangel bzw. Missstand aufweist oder unerträglichen Umwelteinflüssen ausgesetzt ist und die Wiederbewohnbarkeit nicht mit einem objektiv wirtschaftlichen und zumutbaren Aufwand hergestellt werden kann. Dies ist stets der Fall, wenn die aufzuwendenden finanziellen Mittel

a)    nicht innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren durch entsprechende Erträge ausgeglichen werden können oder

b)    die Kosten des Abbruchs zuzüglich der Neuerrichtung die eines vergleichbaren Gebäudes erreichen,

6.     der Wohnraum nicht mehr erhaltenswürdig ist.

§ 4 Zweckentfremdung

(1) Wohnraum wird zweckentfremdet, wenn er durch die*den Verfügungsberechtigte*n und/oder die*den Mieter*in anderen als Wohnzwecken zugeführt wird. Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere dann vor, wenn der Wohnraum

1.     zu mehr als 50 v. H. der Gesamtfläche für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet oder überlassen wird,

2.     baulich derart verändert oder in einer Weise genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist,

3.     mehr als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird,

4.     länger als drei Monate leer steht,

5.     beseitigt wird (Abbruch).

(2) Eine Zweckentfremdung liegt nicht vor, wenn

1.     Wohnraum leer steht, weil er trotz nachweislicher geeigneter Bemühungen über längere Zeit nicht wieder vermietet werden konnte,

2.     Wohnraum nachweislich zügig umgebaut, Instand gesetzt oder modernisiert wird oder alsbald veräußert werden soll und deshalb vorübergehend unbewohnbar ist oder leer steht,

3.     eine Wohnung durch die*den Verfügungsberechtigte*n oder die*den Mieter*in zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken mitbenutzt wird, insgesamt jedoch die Wohnnutzung überwiegt (über 50 v. H. der Gesamtfläche) und Räume nicht im Sinne von Abs.1 Nr. 2 baulich verändert wurden,

4.     der Wohnraum mit anderem Wohnraum zur weiteren Wohnnutzung zusammengelegt oder geteilt wird.

§ 5 Genehmigung

(1) Wohnraum darf nur mit Genehmigung der Vollzugsbehörde anderen als Wohnzwecken zugeführt werden.

(2) Eine Genehmigung ist zu erteilen, wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwiegen.

(3) Eine Genehmigung kann erteilt werden, wenn dem Interesse an der Erhaltung des Wohnraums durch die Schaffung von Ersatzwohnraum oder durch die Entrichtung einer Ausgleichszahlung Rechnung getragen wird.

(4) Die Genehmigung wirkt für und gegen die*den Rechtsnachfolger*in; das Gleiche gilt auch für Personen, die den Besitz nach Erteilung der Genehmigung erlangt haben.

(5) Über den Antrag auf Erteilung einer Zweckentfremdung nach Abs. 1 bis 3 entscheidet die Gemeinde nach Vorliegen aller Unterlagen innerhalb einer Frist von zwölf Monaten. Nach Ablauf der Frist gilt die Genehmigung als erteilt.

§ 6 Genehmigung aufgrund vorrangiger öffentlicher Belange und überwiegender privater Interessen

(1) Vorrangige öffentliche Belange für eine Zweckentfremdung sind in der Regel gegeben, wenn Wohnraum zur Versorgung der Bevölkerung mit sozialen Einrichtungen (z. B. für Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs- oder gesundheitliche Zwecke) oder lebenswichtigen Diensten (z. B. ärztliche Betreuung) verwendet werden soll, die gerade an dieser Stelle der Gemeinde dringend benötigt werden und für die andere Räume nicht zur Verfügung stehen oder nicht zeitgerecht geschaffen werden können.

(2) Überwiegende schutzwürdige private Interessen sind insbesondere bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz gegeben. Diese ist nicht gegeben, wenn die Existenz allein auf der mit der Zweckentfremdung verbundenen Nutzung beruht.

§ 7 Genehmigung gegen Ersatzwohnraum

(1) Ein beachtliches und verlässliches Angebot zur Bereitstellung von Ersatzwohnraum lässt das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Wohnraums in der Regel entfallen, wenn die Wohnraumbilanz insgesamt wieder ausgeglichen wird.
Etwas anderes gilt, wenn aus besonderen Gründen im öffentlichen Interesse geboten ist, dass ganz bestimmter Wohnraum nicht zweckentfremdet wird.

(2) Ein beachtliches Angebot zur Errichtung von Ersatzwohnraum liegt vor, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.     Der Ersatzwohnraum wird im Gebiet der Landeshauptstadt München geschaffen,

2.     Der Ersatzwohnraum wird von der*dem Inhaber*in der Zweckentfremdungsgenehmigung geschaffen,

3.     Der Ersatzwohnraum wird in zeitlichem Zusammenhang mit der Zweckentfremdung geschaffen (kein Ersatzwohnraum „aus dem Bestand“ oder „auf Vorrat“),

4.     Der neu zu schaffende Wohnraum darf nicht kleiner als der zweckzuentfremdende Wohnraum sein und diesen im Standard nicht in einer für den allgemeinen Wohnungsmarkt nachteiligen Weise unterschreiten,

5.     Der Ersatzwohnraum steht dem allgemeinen Wohnungsmarkt so zur Verfügung wie vorher der zweckzuentfremdende Wohnraum. Familiengerechter Wohnraum darf nur durch ebensolchen Wohnraum ersetzt werden.

(3) Ein verlässliches Angebot zur Errichtung von Ersatzwohnraum liegt vor, wenn sich seine öffentlich-rechtliche Zulässigkeit aus prüfbaren Unterlagen ergibt und die*der Antragsteller*in glaubhaft macht, dass sie bzw. er das Vorhaben finanzieren kann.

§ 8 Genehmigung gegen Entrichtung von Ausgleichsbeträgen

(1) Im Einzelfall kann auch durch eine einmalige oder laufende Ausgleichszahlung erreicht werden, dass das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines bestimmten Wohnraums hinter das Interesse an einer Zweckentfremdung zurücktritt. Mit der Ausgleichszahlung sollen die durch die Zweckentfremdung bedingten Mehraufwendungen der Allgemeinheit für die Schaffung neuen Wohnraums teilweise kompensiert und so ein Ausgleich für den Verlust an Wohnraum geschaffen werden. Die Ausgleichsbeträge sind zweckgebunden für die Schaffung neuen Wohnraums zu verwenden.

(2) Die Berechnung der einmaligen Ausgleichszahlung orientiert sich an den Durchschnittskosten für die Erstellung von öffentlich gefördertem Wohnraum.

(3) Bei nur vorübergehendem Verlust von Wohnraum kommt eine laufende, monatlich zu entrichtende Ausgleichszahlung in Höhe der durchschnittlichen Münchner Bruttokaltmiete für Wohnraum in Betracht.

(4) Die Ausgleichszahlung kommt als alleinige Ausgleichsmaßnahme oder als ergänzende Maßnahme (bei noch nicht ausreichender anderweitiger Kompensation, insbesondere zu geringem Ersatzwohnraum) in Betracht.

(5) Die Antragsteller*innen müssen glaubhaft machen, dass sie zur Leistung der Ausgleichszahlung bereit und im Stande sind.

§ 9 Nebenbestimmungen

(1) Die Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum kann befristet, bedingt oder unter Auflagen erteilt werden.

Die Nebenbestimmungen sind in den Bescheid aufzunehmen, um Genehmigungshindernisse auszuräumen, die Zweckentfremdung so gering wie möglich zu halten oder den im Einzelfall vorliegenden Interessenausgleich rechtlich zu sichern.

(2) Ist aufgrund einer Nebenbestimmung die Wirksamkeit einer Genehmigung erloschen, so ist der Raum wieder als Wohnraum zu behandeln und Wohnzwecken zuzuführen.

§ 10 Negativattest

Bei Maßnahmen, für die eine Genehmigung nicht erforderlich ist, weil Wohnraum nicht vorhanden ist, ist auf Antrag ein Negativattest auszustellen.

§ 11 Anhörung der Mieterinnen und Mieter

Die Genehmigungsbehörde hat vor der Genehmigung der Zweckentfremdung von Wohnraum die Mieter*innen anzuhören. Über eine erteilte Genehmigung sind sie zu unterrichten.

§ 12 Auskunfts- und Betretungsrecht

(1) Auf der Grundlage des Art. 3 Satz 1 ZwEWG haben die dinglich Verfügungsberechtigten, Besitzer*innen, Verwalter*innen, Vermittler*innen der Behörde die Auskünfte zu geben und die Unterlagen vollständig vorzulegen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Vorschriften des Gesetzes und dieser Satzung zu überwachen. Dies sind insbesondere Mietverträge, Lage der Wohnung, Name und Adresse der handelnden Person, Anzahl der Buchungen, Anzahl der jeweils gebuchten Tage. Sie haben dazu auch den von der Stadt beauftragten Personen zu ermöglichen, zu angemessener Tageszeit Grundstücke, Gebäude, Wohnungen und Wohnräume zu betreten.“
Die Auskunftspflichtigen haben auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen.
Jedoch darf eine Auskunft, die ein*e Auskunftspflichtige*r gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen die*den Auskunftspflichtige*n oder eine*n in § 52 Abs. 1 der StPO bezeichneten Angehörige*n nur mit Zustimmung der*des Auskunftspflichtigen verwendet werden. Satz 1 gilt auch für Dienstanbieter*innen im Sinne des Telemediengesetzes.

(2) Auf der Grundlage des Art. 5 ZwEWG und dieser Satzung wird das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt (Art. 13 GG, Art. 106 Abs. 3 BV).

§ 13 Anordnungen

(1) Befugnisnorm für Anordnungen ist Art. 3 Abs. 2 ZwEWG.

(2) Ist eine Zweckentfremdung auch nachträglich nicht genehmigungsfähig, kann der*dem Verfügungsberechtigten und der*dem Nutzer*in aufgegeben werden, die Zweckentfremdung in angemessener Frist zu beenden und den Wohnraum wieder Wohnzwecken zuzuführen.

(3) Ist Wohnraum unbewohnbar geworden, kann eine Instandsetzung angeordnet werden, wenn sie mit einem vertretbaren Aufwand möglich ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Instandsetzung und/oder Instandhaltung einen Aufwand erfordern würde, der nur unerheblich hinter den Kosten eines vergleichbar großen Neubaus zurückbleibt.

(4) Klagen gegen Verwaltungsakte zum Vollzug dieser Satzung haben keine aufschiebende Wirkung.

§ 14 Ordnungswidrigkeiten

(1) Mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro kann nach Art. 4 Satz 1 ZwEWG belegt werden, wer ohne die erforderliche Genehmigung Wohnraum für andere als Wohnzwecke verwendet oder überlässt.

(2) Mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro kann nach Art. 4 Satz 2 ZwEWG belegt werden, wer entgegen § 12 Abs. 1 ZeS Auskünfte nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erteilt oder Unterlagen nicht oder nicht vollständig vorlegt.

(2) Eine nach Art. 4 ZwEWG begangene Ordnungswidrigkeit wird durch eine nachträgliche Genehmigung nicht geheilt.

§ 15 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Diese Satzung tritt am 01.09.2021 in Kraft.

Gleichzeitig tritt die Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 05.12.2017 (MüABl. S. 494), zuletzt geändert durch Satzung vom 04.11.2019 (MüABI. S. 452) außer Kraft.

(2) Diese Satzung tritt mit Ablauf des 30.08.2026 außer Kraft.