Satzung über die Aufgaben und Benutzung des Stadtarchivs der Landeshauptstadt München (Stadtarchiv-Satzung)

vom 2. Dezember 2021

Stadtratsbeschluss:                         25.11.2021

Bekanntmachung:                            20.12.2021 (MüABl. S. 824)

 

Die Landeshauptstadt München erlässt aufgrund von Art. 23 und Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.08.1998 (GVBl. S. 796, BayRS 2020-1-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.03.2021 (GVBl. S. 74) und Art. 13 Abs. 1 des Bayerischen Archivgesetzes (BayArchivG) vom 22.12.1989 (GVBl. S. 710, BayRS 2241-1-WK), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.12.1999 (GVBl. S. 521), folgende Satzung:

Abschnitt I – Allgemeines

§ 1 Geltungsbereich

Diese Satzung gilt für die Archivierung und Benutzung von Unterlagen im Stadtarchiv München.

§ 2 Begriffsbestimmungen

(1) Archivgut sind alle archivwürdigen Unterlagen amtlicher und nicht amtlicher Herkunft, die vom Stadtarchiv München zur dauernden Aufbewahrung übernommen werden. Zur Nutzung des Archivguts notwendige Findhilfsmittel sind hinsichtlich ihrer Zugänglichmachung Archivgut gleichgestellt, wobei sie von der allgemeinen Schutzfrist nach § 9 Abs. 1 Satz 1 ausgenommen sind.

Unterlagen sind unabhängig von ihrer Speicherungsform alle Aufzeichnungen, insbesondere Urkunden, Amtsbücher, Akten, Schriftstücke, Karteien, Karten, Risse, Pläne, Plakate, Siegel, Bild-, Film- und Tondokumente sowie alle Hilfsmittel und ergänzenden Daten, die für die Erhaltung, das Verständnis dieser Informationen und deren Nutzung notwendig sind.

(2) Archivwürdig sind Unterlagen, die für wissenschaftliche Forschung, zur Sicherung berechtigter Belange Betroffener oder Dritter oder für Zwecke der Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Verwaltung von bleibendem Wert sind. Über die Archivwürdigkeit entscheidet das Stadtarchiv München.

(3) Archivierung umfasst die Aufgabe, das Archivgut zu erfassen, zu übernehmen, auf Dauer zu verwahren und zu sichern, zu erhalten, zu erschließen, nutzbar zu machen und auszuwerten.

Abschnitt II – Aufgaben

§ 3 Aufgaben des Stadtarchivs

(1) Die Landeshauptstadt München unterhält ein Archiv. Das Stadtarchiv ist die städtische Fachdienststelle für alle Fragen des städtischen Archivwesens und für Fragen der Stadtgeschichte.

(2) Das Stadtarchiv hat die Aufgabe, das Archivgut aller städtischen Organe, Ämter, Dienststellen, Beiräte und sonstigen Einrichtungen, aller städtischen Eigenbetriebe, Gesellschaften, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, aller unter städtischer Verwaltung oder Aufsicht stehenden Stiftungen sowie – im Falle gesonderter Vereinbarungen – der Zweckverbände, an denen die Landeshauptstadt München beteiligt ist, zu archivieren. Diese Aufgabe erstreckt sich auch auf Archivgut der Rechtsvorgänger der Landeshauptstadt München und der Funktionsvorgänger der in Satz 1 genannten Stellen.

(3) Das Stadtarchiv kann auch Archivgut sonstiger öffentlicher Stellen archivieren. Es gilt diese Satzung, soweit Vereinbarungen oder Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmen.

(4) Das Stadtarchiv kann aufgrund von Vereinbarungen oder letztwilligen Verfügungen auch privates Archivgut archivieren, soweit daran ein öffentliches Interesse besteht. Für dieses Archivgut gilt diese Satzung mit der Maßgabe, dass besondere Vereinbarungen mit Eigentümerinnen und Eigentümern oder besondere Festlegungen in den letztwilligen Verfügungen unberührt bleiben.

(5) Das Stadtarchiv berät die städtische Verwaltung bei der Verwaltung und Sicherung ihrer elektronischen und analogen Unterlagen. Im Hinblick auf die spätere Archivierung ist das Stadtarchiv bei der Einführung und Änderung technischer Systeme zur Erstellung und Speicherung digitaler Unterlagen zu beteiligen. Das Stadtarchiv kann außerdem nichtstädtische Archiveigentümerinnen und Archiveigentümer bei der Sicherung und Nutzbarmachung ihres Archivgutes beraten und unterstützen, soweit daran ein städtisches Interesse besteht.

(6) Das Stadtarchiv fördert die Erforschung der Stadtgeschichte.

§ 4 Anbietung und Übernahme von Unterlagen

(1) Alle unter § 3 Absatz 2 dieser Satzung genannten Stellen haben dem Stadtarchiv die Unterlagen zur Übernahme anzubieten, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigen. Spätestens sind die Unterlagen 30 Jahre nach ihrer Entstehung dem Stadtarchiv anzubieten, soweit durch Rechtsvorschriften oder durch Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist.

(2) Das Stadtarchiv übernimmt die von ihm als archivwürdig bestimmten Unterlagen.

(3) Die Anbietung von Unterlagen, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften einem erhöhten Schutzbedarf unterliegen, richtet sich nach dem Bayerischen Archivgesetz und dem Bayerischen Datenschutzgesetz in ihren jeweils gültigen Fassungen.

(4) Die Anbietung von Unterlagen, zu deren Löschung oder Vernichtung die unter § 3 Absatz 2 dieser Satzung genannten Stellen verpflichtet sind, richtet sich nach dem Bayerischen Datenschutzgesetz und dem Bayerischen Archivgesetz in ihren jeweils gültigen Fassungen.

(5) Die näheren Einzelheiten der Aussonderung und der Übernahme regelt eine Dienstanweisung.

§ 5 Auftragsarchivierung

Das Stadtarchiv kann auch Unterlagen übernehmen, deren besondere Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind und bei denen das Verfügungsrecht den abgebenden Stellen vorbehalten bleibt (Auftragsarchivierung). Für die Unterlagen gelten die bisher für sie maßgebenden Rechtsvorschriften fort. Die Verantwortung des Stadtarchivs beschränkt sich auf die in § 6 Abs. 2 Satz 1 bestimmten Maßnahmen. Die Bewertung der im Rahmen der Auftragsarchivierung im Stadtarchiv vorhandenen Unterlagen durch das Stadtarchiv ist zulässig.

§ 6 Verwaltung und Sicherung des Archivgutes

(1) Archivgut kann nur an Träger anderer hauptamtlich und fachlich betreuter Archive übereignet werden, wenn dies wegen der Herkunft oder des Zusammenhanges geboten oder die Gegenseitigkeit gewährleistet ist. Im Übrigen ist Archivgut unveräußerlich. Eine widerrufliche Verwahrung in einem anderen hauptamtlich und fachlich betreuten öffentlichen Archiv ist zulässig, wenn ein fachlicher Grund besteht.

(2) Das Stadtarchiv hat die ordnungs- und sachgemäße dauernde Aufbewahrung und Benutzbarkeit des Archivgutes und seinen Schutz vor unbefugter Benutzung oder Vernichtung durch geeignete technische, personelle und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen. Das Stadtarchiv hat das Verfügungsrecht über das Archivgut und ist befugt, das Archivgut nach archivwissenschaftlichen Gesichtspunkten zu ordnen, durch Findmittel zu erschließen sowie Unterlagen, deren Archivwürdigkeit nicht mehr gegeben ist, zu vernichten. Die Zugänglichmachung von Archivgut kann unter Wahrung schutzwürdiger privater und öffentlicher Belange auch durch öffentliche Zugänglichmachung geschehen.

(3) Für die Verknüpfung personenbezogener Daten durch das Stadtarchiv gelten die Bestimmungen des Bayerischen Archivgesetzes in der jeweils gültigen Fassung.

Abschnitt III - Benutzung

§ 7  Benutzungsrecht

(1) Das im Stadtarchiv verwahrte Archivgut steht nach Maßgabe dieser Satzung und der Benutzungsordnung jeder Person für die Benutzung zur Verfügung. Für Archivgut, das sich auf eine oder mehrere natürliche Personen bezieht (personenbezogenes Archivgut) gelten die Bestimmungen des Bayerischen Archivgesetzes in der jeweils gültigen Fassung. Gleiches gilt für Archivgut, das einem besonderen gesetzlichen Geheimnisschutz oder sonstigen Geheimhaltungsvorschriften unterliegt.

(2) Die Benutzung von im Stadtarchiv München verwahrten Archivgut ist beim Stadtarchiv in Textform zu beantragen. Bei schriftlichen oder mündlichen Anfragen sowie bei der Anforderung von Reproduktionen kann das Stadtarchiv auf einen Benutzungsantrag verzichten. Die Benutzungsgenehmigung erteilt das Stadtarchiv.

(3) Das Stadtarchiv erlässt eine Benutzungsordnung zur Regelung der näheren Einzelheiten der Benutzung des Stadtarchivs.

§ 8 Einschränkung und Versagung der Benutzung

(1) Die Benutzungsgenehmigung des Archivs ist einzuschränken oder zu versagen, soweit

a)    Grund zu der Annahme besteht, dass Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet würde,

b)    Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen,

c)     Gründe des Geheimnisschutzes es erfordern,

d)    der Erhaltungszustand des Archivgutes gefährdet würde,

e)    ein nicht vertretbarer Verwaltungsaufwand entstehen würde oder

f)      Vereinbarungen mit derzeitigen oder früheren Eigentümerinnen oder Eigentümern entgegenstehen.

(2) Die Benutzungsgenehmigung des Archivs kann auch aus anderen wichtigen Gründen eingeschränkt oder versagt werden, insbesondere wenn

a)    die Interessen der Stadt verletzt werden könnten,

b)    die Antragstellerin oder der Antragsteller gegen diese Satzung, die Gebührensatzung oder die Benutzungsordnung verstößt oder ihr oder ihm erteilte Nebenbestimmungen nicht eingehalten hat,

c)     das Archivgut zu amtlichen Zwecken, im Rahmen von Erschließungsarbeiten oder wegen einer gleichzeitigen anderweitigen Benutzung benötigt wird,

d)    der Benutzungszweck anderweitig, insbesondere durch Einsichtnahme in Druckwerke oder in Reproduktionen erreicht werden kann.

(3) Die Benutzungsgenehmigung kann widerrufen oder zurückgenommen werden, insbesondere wenn

a)    Angaben im Benutzungsantrag nicht oder nicht mehr zutreffen,

b)    nachträgliche Gründe bekannt werden, die zur Versagung bzw. Beschränkung der Benutzung geführt hätten,

c)     die Benutzerin oder der Benutzer gegen die Archivsatzung, die Gebührensatzung oder die Benutzungsordnung verstößt oder ihr oder ihm erteilte Nebenbestimmungen nicht einhält oder

d)    die Benutzerin oder der Benutzer Urheber- und Persönlichkeitsschutzrechte sowie schutzwürdige Belange Dritter nicht beachtet.

(4) Die Benutzung kann auch auf Teile von Archivgut, auf anonymisierte Reproduktionen, auf die Erteilung von Auskünften oder auf besondere Zwecke beschränkt werden.

(5) Im Fall einer Entscheidung aufgrund Abs. 1 Buchstabe a, Abs. 2 Buchstabe a sowie Abs. 3 Buchstabe b in Verbindung mit Abs. 1 Buchstabe a oder Abs. 2 Buchstabe a holt das Stadtarchiv vorher die Zustimmung der Oberbürgermeisterin bzw. des Oberbürgermeisters ein.

§ 9 Schutzfristen

(1) Soweit durch Rechtsvorschriften oder nach Maßgabe des Absatzes 2 nichts anderes bestimmt ist, ist die Benutzung des Archivguts mit Ablauf des 30. Jahres nach seiner endgültigen Entstehung zulässig. Diese Schutzfrist gilt nicht für Archivgut, das bei seiner Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt war.

Für Archivgut, das sich auf eine oder mehrere natürliche Personen bezieht (personenbezogenes Archivgut) gelten die Schutzfristen des Bayerischen Archivgesetzes in der jeweils gültigen Fassung. Gleiches gilt für Archivgut, das einem besonderen gesetzlichen Geheimnisschutz oder sonstigen Geheimhaltungsvorschriften unterliegt.

(2) Das Stadtarchiv kann im einzelnen Benutzungsfall oder für bestimmte Archivgutgruppen die Schutzfristen verkürzen, wenn durch Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen. Bei personenbezogenem Archivgut ist eine Verkürzung nur zulässig, wenn die betroffene Person eingewilligt hat oder wenn die Benutzung zur Erreichung des beabsichtigten wissenschaftlichen Zwecks, zur Behebung einer bestehenden Beweisnot oder aus sonstigen im überwiegenden Interesse der abgebenden Stelle oder eines Dritten liegenden Gründen unerlässlich ist und sichergestellt ist, dass schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter nicht beeinträchtigt werden. Die Schutzfristen können vom Stadtarchiv um höchstens 30 Jahre verlängert werden, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt.

(3) Der Antrag auf Verkürzung von Schutzfristen ist von der Benutzerin oder vom Benutzer schriftlich beim Stadtarchiv zu stellen. Bei personenbezogenem Archivgut nach Abs. 2 Satz 2 hat die Benutzerin oder der Benutzer die Einwilligung der betroffenen Person beizubringen oder nachzuweisen, dass die Benutzung zur Erreichung des beabsichtigten wissenschaftlichen Zwecks, zur Behebung einer bestehenden Beweisnot oder aus sonstigen im überwiegenden Interesse der abgebenden Stelle oder einer oder eines Dritten liegenden Gründen unerlässlich ist.

(4) Für die Benutzung von Archivgut innerhalb der Schutzfristen der Abs. 1 und 2 durch Stellen, bei denen es angefallen ist oder die es abgegeben haben, gelten die Bestimmungen des Bayerischen Archivgesetzes in der jeweils gültigen Fassung.

§ 10 Rechte betroffener Personen

Die Rechte betroffener Personen richten sich nach dem Bayerischen Archivgesetz und dem Bayerischen Datenschutzgesetz in ihren jeweils gültigen Fassungen.

§ 11 Reproduktionen

(1) Die Anfertigung von Reproduktionen kann nur nach Maßgabe der §§ 7 bis 9 dieser Satzung sowie der Benutzungsordnung erfolgen.

(2) Reproduktionen können durch das Stadtarchiv oder eine von diesem beauftragte Stelle hergestellt werden.

(3) Eine Veröffentlichung, Weitergabe oder Vervielfältigung von Reproduktionen von Archivgut, das schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter berührt, ist nur mit vorheriger Zustimmung des Stadtarchivs zulässig. Bestehende Ansprüche Dritter aus Urheber-, Verwertungs- oder Lizenzrechten werden durch die Genehmigung oder die Bezahlung der Gebühr gemäß Kommunalem Kostenverzeichnis der Kostensatzung der Landeshauptstadt München nicht abgelöst, sondern sind gesondert abzugelten. Wer gegen die Bestimmung des § 11 Abs. 3 Satz 1 verstößt, kann mit einer Geldbuße von 100 Euro belegt werden.

(4) Über das Reproduktionsverfahren, die Zielformate, die zu verwendenden Datenträger und den Versendungsweg entscheidet das Stadtarchiv. Es besteht kein Anspruch auf Reproduktionen.

(5) Bei einer Veröffentlichung von Reproduktionen sind das Stadtarchiv und die dort verwendete Archivsignatur anzugeben.

§ 12 Belegexemplar

Von jeder Veröffentlichung, die zu einem erheblichen Teil unter Verwendung von Archivgut des Stadtarchivs angefertigt worden ist, ist diesem ein Exemplar kostenlos zu überlassen. Entsprechendes gilt für die Veröffentlichung von Reproduktionen. Auf die Abgabe kann in Ausnahmefällen verzichtet werden.

§ 13 Gebühren

Für die Benutzung des Stadtarchivs erhebt die Landeshauptstadt München Benutzungsgebühren nach der Satzung über die Gebühren für die Benutzung des Stadtarchivs der Landeshauptstadt München (Stadtarchiv-Gebührensatzung).

§ 14 Inkrafttreten / Außerkrafttreten

(1) Diese Satzung tritt am Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft.

(2) Gleichzeitig tritt die Satzung über die Benützung des Stadtarchivs der Landeshauptstadt München vom 04.08.1993 (MüABI. S. 265), zuletzt geändert durch Satzung vom 19.01.2015 (MüABl. S. 33), außer Kraft.